Djihad Paradise: Roman (German Edition)
los war. Alles wogte, schaukelte, tanzte willenlos hoch und runter und hin und her und es wurde immer stärker und stärker. Und auf einmal erfasste mich die Strömung und zog mich weiter, gewaltige Wasserstrudel wirbelten um mich, bis ich mich in ihrem Inneren im Kreis drehte. Der ganze Ozean wogte und wie in einem Sog wurde alles, was sich nicht irgendwo hier unten festhielt, nach oben gerissen. Und da war dieses Gefühl. Ein nagendes Gefühl. Wie Sehnsucht, aber ich wusste gar nicht, wonach. Ein wenig kämpfte ich noch dagegen an, aber ich konnte meine Neugier nicht mehr länger beherrschen und ließ mich einfach nach oben ziehen.
Auf einmal umgab mich irgendetwas Seltsames, Schreckliches, irgendetwas, in dem ich nicht atmen konnte. Ich bekam Herzrasen und tauchte schnell wieder unter, damit ich nicht ersticken musste. Aber dann zog es mich wieder nach oben. Welle türmte sich auf Welle auf Welle. Ich tanzte auf dem Chaos umher und fand alles auf einmal viel schöner als unten. Und über dem Wasser türmte sich ebenfalls etwas auf, in Grau und Anthrazit und Schwarz und bauchig wie Wellen, nur irgendwie spiegelverkehrt und dazwischen blinkten hin und wieder winzige Lichter auf. Wieder brach sich eine der Riesenwellen und ich wurde gegen das Schiff geschleudert, auf dem Kreaturen standen, die genauso aussahen wie wir Meerleute, nur dass sie keinen Fischschwanz hatten.
Menschen, das mussten Menschen sein. Ich wusste nicht sehr viel über Menschen, außer dass sie sehr schwach waren und schnell im Wasser starben.
Und während ich das noch dachte, wurde einer vom Schiff geschleudert. Schnell schwamm ich dorthin, wo der Mensch wild im Wasser um sich schlug. Als ich ihn erreicht hatte, da hatte er schon keine Kraft mehr und wäre fast untergegangen. Ich packte ihn und schwamm mit ihm ans Ufer. Ich sah ihn immer wieder an. Menschen hatte ich mir immer sehr hässlich vorgestellt, aber dieser hier war groß und schön, und hätte er einen Fischschwanz gehabt, hätte er ohne Weiteres als Wassermann durchgehen können.
Als ich das Ufer erreichte, schob ich ihn so weit es ging auf den Sand. Aber weit ging es nicht, ich erstickte fast und konnte mich auch überhaupt nicht vernünftig bewegen. Ich wollte schon wegschwimmen, da schubste mich eine Welle noch mal ans Ufer und ehe ich nachdenken konnte, hatte ich diesem Menschen, der aussah wie Julian, einen Kuss gegeben, bevor mich die nächste Welle in mein eigenes Reich zurückzog.
Was war das denn gewesen? Erschrocken richtete ich mich auf und schnappte nach Luft. Erst nach und nach wurde mir klar, dass ich mich in meinem Bett befand und keine Meerjungfrauenprinzessin war, sondern die Tochter von Michael und Susanne Achenbach. Schon wieder dieser dämliche Nixentraum. Aber – was, bitte schön, hatte Julian Engelmann darin verloren?
Ich ließ mich wieder zurück auf mein Kissen fallen. O.k. Er war schon irgendwie süß. Aber es gab keinen Grund, überhaupt keinen, ihn gleich in seine Träume einzubinden. Und schon gar nicht in die Meeresträume. Das war mein Reich. Das war der Ort, an dem die wirklich wichtigen Dinge geschahen. Und deshalb hatte auch niemand außer mir dort etwas zu suchen. Oder doch? Nein.
Trotzdem ging mir Julian nicht aus dem Kopf. Seit dem Konzert hatte ich das Gefühl, dass Julian einen großen Bogen um mich machte. War da doch mehr mit der Tussi mit der Quietscheentchen-Stimme? Diese Vorstellung versetzte mir einen Stich. Und dass mir dies einen Stich versetzte, versetzte mir gleich noch einen. Ich hatte mich doch nicht wirklich in diesen Vollidioten verknallt?
Julian war alles, was ich nicht war. Was wollte ich also mit ihm? Keine Ahnung, in welcher Welt er lebte, aber es war definitiv nicht meine. Und dass er diese Superstar-2.0-Nummer abzog, war echt so was von lächerlich. Als wäre das »Bounce« der Ort, wo Stars geboren wurden.
Ich stellte mir vor, wie meine Eltern reagieren würden, wenn ich Julian anschleppte. Die würden sich doch gleich fragen, was sie mit ihrer Erziehung falsch gemacht hätten … Und dann fiel mir wieder ein, dass Julian mich nicht nur mied, sondern in letzter Zeit überhaupt nur noch sehr sporadisch in die Schule kam. Die Frage stellte sich also gar nicht, wie es wäre, wenn Julian und ich …
Ein nagendes Gefühl, so ähnlich wie Hunger, aber viel tiefer und allumfassender, machte sich in mir breit. Seit drei Tagen war er nicht mehr in der Schule aufgetaucht und ich hatte mich dabei erwischt, mich immer wieder
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