Djihad Paradise: Roman (German Edition)
laut auf. »Jetzt hab ich dich totgequatscht, stimmt’s?«
»Nee, haste gar nicht. Ich denke nur nach. Weißt du, als ich vor ein paar Jahren mit der Mucke angefangen habe, da habe ich irgendwie auch vom großen Geld geträumt und so Westcoast-mäßig auf Gangsta-Rap gemacht. Ich dachte, ich geh mal so ein bisschen in Richtung von N.W.A. und verdien die schnelle Kohle. Aber na ja, du hattest ganz recht, es ist voll hohl, wenn ich den Gangsta spiele. Ich war ja noch nicht einmal dort und werde auch höchstwahrscheinlich niemals dorthin kommen. Ich bin halt ein Weißer. Ein scheiß Deutscher und überhaupt nur so ein Berlin-Abkacker-Loser. Ich finde die Mucke ja cool, aber im Moment wäre ich lieber irgendwie in ’ner anderen Szene.« Und nach einer Pause fügte ich hinzu: »Siehste, ich krieg es noch nicht mal hin, mich bei den Typen, die ich mir selbst ausgesucht habe, wohlzufühlen.« Ich lachte bitter auf.
»Wir können ja einfach abhauen«, schlug Romea vor und die pure Abenteuerlust kreiselte um ihre Pupillen.
Abhauen wäre cool, dachte ich und sagte: »Ja, aber lass uns erst mal in den See springen.«
Und dann sprangen wir in den See, einfach so, wie wir waren. Und plötzlich war wieder alles wie neu, von so einem unglaublichen Glanz überzogen, so nagelneu, als bekäme ich mein Leben noch einmal und alles war so makellos wie ein neu gekaufter iPod.
Das war ja nun mal kaum zu fassen, dass Julian und ich ein Paar geworden waren. Irgendwie kamen wir von zwei völlig verschiedenen Sternen und irgendwie auch wieder nicht. Julian war alles, was ich nicht war. Und das war gut so. Eines war mal sicher: Mit ihm würde ich bis ans Ende der Welt gehen. Für ihn würde ich meinen Urozean verlassen und mich an irgendeinem Strand der Welt neu erheben als Romea-2.0. Anders. Freier. Mehr Romea als jemals zuvor. Mit ihm würde ich Dinge tun, von denen ich jetzt noch nicht einmal ahnte, dass es sie gab. Eine Bank ausrauben oder irgendwo in Australien Schafe züchten. Alles war möglich. Einfach aussteigen. Abhauen. Untertauchen.
Gerade war ich sicher, dass alles gut werden würde. Wirklich alles. Eigentlich war ja alles gut. Wir surften auf unserem Glück herum, das unendlich war wie ein Weltmeer.
Aber trotzdem. Noch waren wir hier. Eingespannt in diese Leistungsmaschine. Schräubchen und Rädchen, die einfach mitgedreht wurden. Aber das würde sich ändern, so wahr ich Romea Achenbach hieß.
Ich war so beschwingt, dass sogar meine Eltern es mitbekamen.
»Du bist in letzter Zeit so hübsch«, sagte Ma eines Abends. Ich sah sie an und schwieg. Ich war wie immer, fand ich, nur dass ich mich besser fühlte.
»Kann es vielleicht sein, dass sich unsere Tochter verliebt hat?«, fragte Pa und zwinkerte.
Ich wurde rot und hatte nicht die geringste Lust, meinen Eltern von Julian zu erzählen. Julian war mein Geheimnis, mein Notausgang aus dieser Welt der Saturiertheit.
»Na, uns kannst du es doch sagen«, hakte er nach und gab mir einen freundlichen Hieb in die Seite.
Meine Eltern tauschten Blicke.
»Na klar ist sie verliebt«, sagte Ma. »Das sieht doch ein Blinder.«
Theresa fing Mas Worte auf und sprang herum und sang: »Romea ist ver-lie-hiebt, Romea ist ver-lie-hiebt …«
Ich verdrehte die Augen. Abgesehen davon, dass es immer ein höchst erhebendes Gefühl ist, wenn über einen hinweggesprochen wurde, geriet ich in Panik. Ich kannte das. Die beiden hatten die Situation erraten, erkannt, erfühlt oder ich weiß nicht was, und erfahrungsgemäß würden sie nun nicht mehr von mir ablassen, bis ich ihnen Julian zur Elternanalyse und zur Ist-er-auch-wirklich-gut-für-unsere-Tochter-Sezierung auf den Tisch gelegt haben würde. Armer Julian. Das würde nicht gut gehen. Niemals würde es gut gehen, wenn Julian auf meine Eltern träfe. Wir mussten hier weg. Ich stand auf und ging in mein Zimmer, wo ich mich sofort bei meiner Bank einloggte. Ein Blick auf meinen Kontostand genügte. Wir konnten abhauen. Jederzeit konnten wir das. Eine Tür hatte sich geöffnet. Einen ganz kleinen Spalt weit. Aber genug, um zu sehen, dass dahinter das Licht war.
Ich weiß auch nicht, wie das alles so gekommen ist. Ich hatte wirklich versucht, mein Leben auf die Reihe zu kriegen, aber auf einmal war alles, wirklich alles, schiefgegangen.
Als ich Ice mit Romeas Geld ausbezahlt hatte, hatte der nur belustigt die Brauen hochgezogen.
»Wen haste denn dafür beklaut?«
Ich schwieg.
»Na ja, diesmal biste noch davongekommen. Aber sei
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