Djihad Paradise: Roman (German Edition)
The whole damn world is mad at me. But I don’t give a damn, I’m just glad to be all pain …
Ich stiefelte Richtung U-Bahn-Haltestelle. Dafür, dass Ende Juli und praktisch Schulferien waren, war es arschkalt und es nieselte ganz ekelhaft. Ich zog mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf und stopfte die Fäuste in die Tasche.
Unten in der Bahn rief ich Buddy, einen meiner Kumpels aus der Band, an. »Alter, was geht? Hör mal, kann ich ein paar Tage bei dir unterkommen? … Ja. Stress mit Tom und so … Cool. Bis gleich.«
Und so kam es, dass ich bei Buddy einzog. Tom hatte ein paarmal versucht, mich über mein Handy anzurufen, aber ich ging nicht ran. Sollte er doch sehen, wo er blieb. Vielleicht war es ja sogar gut für ihn und er raffte sich endlich mal auf, irgendwas zu unternehmen ...
Und weil die ersten Tage bei Buddy ziemlich cool und das, was darauf folgte, ziemlich beschissen war, kam es zur großen Funkstille zwischen Erzeuger und Sohn.
Buddys Vater hatte eine Kiezkneipe und Buddy schlug sich dort mit Kellnern durch. Projekt Schule hatte ich aufgegeben. Mein Entschluss stand fest. Ich würde jetzt selbst Kohle verdienen und dann konnten mich Tom und das Amt und die Schule aber mal kreuzweise. Doch zuallererst gönnte ich mir erst einmal so was wie Urlaub.
Tagsüber hingen Buddy und ich meistens bei ihm in der Wohnung rum und sahen den Rauchkringeln unserer Joints nach und abends kam dann auch der Rest der »Gangst’s Ghost« ins »Easty Beast« und das Beste war: Meistens kam Romea auch. Sie verstand sich super mit den Jungs und umgekehrt und es waren echt schöne Abende.
Trotzdem ging mir eine Sache nicht aus dem Sinn – die Texte. Wir mussten dringend mal über neue Texte nachdenken und das tat ich auch an einem unserer legendärsten »Beast-Party-Abende« kund.
Verblüfft starrten mich die Jungs an.
»Wieso? Was is’n mit unseren Texten? Die sind doch cool«, sagte Toyboy und sah mich verwundert an. Die anderen stimmten ihm zu.
»Nein, verdammt. Die sind nicht cool. Wir labern da über was, was wir gar nicht kennen. Das ist doch Rotz! Wir … wir brauchen Visionen! Was Neues. Wir müssen was Neues machen. Irgendwas Radikales, irgendwas, was die Welt verändert!«
Die Jungs tauschten Blicke. Dann brachen sie in Gelächter aus. »Alter, Visionen! Wo willst du denn in diesem Scheiß hier Visionen herzaubern, he?«
»Sieh es mal so, Raphop«, wandte sich Mariachi an mich. »Die Welt ist am Arsch. Das ist einfach so und das lässt sich auch nicht mehr umkehren. Es gibt ein Oben und ein Unten und dazwischen gibt es nur noch den Zorn. Den Zorn der Straße. Und der wird immer größer. Und die Stimme dieses Zorns, das sind die Rapper. Das ist ›Gangsta’s Ghost‹. Und je größer der Zorn wird, desto lauter wird auch ›Gangsta’s Ghost‹. Und da ist es verdammt noch mal so was von scheißegal, ob wir in Los Angeles, New York oder im verfickten Berlin sind. Der Zorn ist global.« Mariachi sah mir fest in die Augen, während er bedächtig seine Kippe in einem Kronkorken ausdrückte.
»Eben. Der Zorn ist global, weil neunzig Prozent der Bevölkerung überall zu Losern gemacht wird und deshalb brauchen wir Visionen.«
Toyboy verdrehte die Augen. »Deine Visionen gehen mir auf den Sack, Raphop. Wenn du ständig Visionen hast, dann hör auf zu kiffen.«
Die anderen lachten.
Ich wurde wütend und sprang auf, aber Romea zog mich auf meinen Stuhl zurück. Sollte ich jetzt allen den Abend versauen? Und wofür eigentlich? Im Prinzip hatten sie ja recht. Was für eine Vision? Ich hatte schließlich auch keine. Also schwieg ich und ich glaube, es wurde danach überhaupt der lustigste Abend, den wir jemals gefeiert hatten. Ja, es wurde der lustigste Abend, weil ich keine Vision hatte und die anderen auch nicht. Nicht einmal Romea hatte eine. Und die Vision wurde überhaupt zum Running Gag und trotzdem wünschte ich mir dringend, dass es anders gelaufen wäre und dass ich sie gehabt hätte – meine Vision.
Tja, und nach den ersten drei heiteren Wochen bei Buddy kam der Kater der Ernüchterung. Ein hässliches Biest, das einen kaum atmen ließ, weil die Sache anfing, so richtig den Bach runterzugehen. Initialzündung. Kettenreaktion. Booooom.
Wie gesagt, Projekt Schule war gestorben, endgültig und für alle Mal abgebrochen, mit dem Amt wollte ich nichts mehr zu tun haben, dafür stand ich ab und zu im »Easty Beast« hinterm Tresen, dafür gab es dreihundert Äppelstücke Kohle und das
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