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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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unbesorgt, wir sehn uns bald wieder.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich trotzig und dachte tatsächlich, dass ich recht hatte.
    Ice klopfte mir auf die Schulter. »Wir werden sehen, Angelman. Wir werden sehen …« Damit ließ er mich stehen.
    Als er weg war, fiel mir ungefähr eine Tonne Irgendwas von den Schultern. Ich war raus. Halleluja, ich war raus.
    Tatsächlich ließ ich die Pfoten vom Dealen und schleppte mich von nun an jeden Tag in die Schule und machte sogar einen Teil der Hausaufgaben. Na ja, wenn ich denn schon mal hier war, konnte ich ja auch mein Abi ernstlich ins Auge fassen. Sogar Tom hatte das geschafft.
    Außerdem saß ich nun neben Romea. Sogar die Lehrer taten überrascht kund, dass ich Potenzial hatte. Und das, das hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Nur Mutsch. Allerdings war das einzige Potenzial, das sie in mir gesehen hatte, das, irgendwann im Knast zu landen. Und dass nun tatsächlich wildfremde Leute vermuteten, dass ich im Prinzip etwas auf dem Kasten hatte, tat echt gut. Natürlich hätte ich das niemals zugegeben, aber echt, es gab mir wirklich Auftrieb.
    Doch schon zwei Monate später kam es extrafett. Als ich eines Samstags morgens aus dem Bad schlurfte, wedelte Tom mit einem altpapierfarbenen Brief vor meiner Nase herum. Er hatte ihn geöffnet und seine Stirn war schon ganz mopsfaltig.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Für dich. Das Amt«, antwortete er.
    »Aha. Und warum machst du meine Post auf, wenn ich fragen darf?«, wollte ich gereizt wissen.
    Tom ließ sich seufzend auf das Sofa fallen. Er war ganz schön fett und ungelenk geworden. Der Fernseher lief schon wieder. Irgendwelche abgehalfterten Angeblich-Promis saßen irgendwo im Urwald und steckten ihre Köpfe in Terrarien voller Maden und versuchten, sie mit den Zähnen zu erwischen und runterzuschlucken. Das hatte er sich gestern Abend schon mal angesehen. Wie konnte er sich so was überhaupt reinziehen? Und dann noch ein zweites Mal? Ekelhaft. Manchmal fragte ich mich echt, ob er überhaupt noch mitbekam, was er eigentlich sah. Ich holte mir einen Kaffee aus der Küche und hockte mich zu ihm.
    »Die wollen, dass du das Gymnasium sofort beendest und eine Ausbildung machst«, sagte er.
    »Hä? Sag mal, spinnen die? Dann habe ich doch gar keinen Abschluss.«
    Tom zuckte hilflos mit den Schultern. »Tja, ist halt so.« Er schnäuzte sich. »Sklavenhaltergesellschaft.« Als er das sagte, sah er für einen Augenblick so aus, als würde er gleich voller Verachtung auf den Boden spucken wollen. »Diese Arschlöcher. Heute kannste studiert haben und trotzdem schicken sie dich irgendwann zum Spargelstechen. Du musst unbedingt Widerspruch dagegen einlegen.«
    Oh, mein ach so politischer Vater, der ja im Prinzip alles durchschaute, aber nichts unternahm. Ich fühlte mich auf einmal wie gelähmt. Da lief es tatsächlich ein Mal gut in der Schule und genau da, ein gutes Jahr vor dem Abi, macht mir das Amt einen Strich durch die Rechnung. Damit ich dem Arbeitsmarkt sofort zur Verfügung stand. Billiges Humankapital. Offenbar lohnte es sich nicht, wenn man sich bemühte. Und auf einmal wollte ich nur weg. Weg. Weg. Weg. In ein anderes Land. In eine andere Gesellschaft. Irgendwohin, wo man nicht erst ernst genommen wurde, wenn man Karriere gemacht und ein Konto mit einem sechsstelligen Betrag hatte. Oder Aktien.
    »Einen Scheiß werde ich«, knurrte ich. Auf einmal war ich der pure Trotz. Die konnten mich mal. Alle.
    »Julian, wehr dich! Ein gutes Jahr noch und du hast dein Abi in der Tasche. Das müssen die doch einsehen.« Toms Wut auf die Behörde hatte sich in einen völlig sinnfreien Zweckoptimismus verkehrt. Oder er spielte mir etwas vor? Wie auch immer, er ging mir mit seinem Gerede gerade gewaltig auf die Nerven. Schließlich wusste er doch selbst, dass es nicht darum ging, irgendwen zu fördern, sondern ihn schnellstmöglich aus der Statistik zu streichen. Also sagte ich: »Klar.«
    »Sei nicht immer so zynisch. Geh da hin, zeig ihnen dein Zeugnis. Dann machst du dein Abi und dann kannst du vielleicht sogar noch was studieren. Ich hab das doch auch geschafft.« Er grinste schief.
    »Ja, toll. Du hast studiert. Und? Was hat dir das gebracht? Zum Bewerbungstraining haben sie dich geschickt und danach zum Spargelstechen. Toll. Ich gratuliere dir zum Studium. Und weil du nicht hin bist zum Spargelstechen, sitzen wir jetzt auf diesem Schuldenscheiß. Und was tust du dagegen? Wohnst praktisch auf dem Sofa vor dem Fernseher und –

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