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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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lass mal sehen – es ist morgens halb elf und vor dir steht schon dein erstes Bier. Oder ist es gar nicht dein erstes?«, fragte ich rhetorisch und wusste genau, dass ich ihm gerade ordentlich eine reingewürgt hatte. Studium! Da konnte ich ja nur lachen.
    Irgendeine der Möchtegern-Promi-Tussis kreischte. Kameraführung: Blattschuss zwischen die Titten. Mann, war das alles eine Scheiße hier. Ich sprang auf.
    Toms sorgenvoller, aber träger Blick folgte mir. »Wo willst du denn schon wieder hin?«
    »Weg«, sagte ich und ging.
    Aber das war noch lange nicht alles gewesen. Noch in der gleichen Woche standen abends die Bullen mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür. Ich fragte mich, wer von der Kundschaft da gequatscht hatte. Während die Polizei mein Zimmer auseinandernahm, saß Tom reglos auf dem Sofa. Er hatte in der gesamten Wohnung die Jalousien runtergelassen und stierte auf den schwarzen Bildschirm. Vor ihm stand ein Teelicht, das unruhig flackerte.
    »Könnten Sie mal Licht machen?« Einer der Polizisten war im Wohnzimmer aufgetaucht.
    Tom drehte seinen Kopf mit der Geschwindigkeit einer sehr, sehr alten Schildkröte Richtung Polizist und sah eine Weile apathisch durch ihn hindurch. Dann zuckte er mit den Schultern. »Haben keinen Strom mehr«, sagte er bedächtig. »Seit vorgestern. Wurde abgestellt.«
    Der Beamte verdrehte die Augen, ging nach draußen und kam mit zwei großen Stabtaschenlampen zurück. Ich stand unschlüssig im Flur und hörte, wie Schränke geöffnet, Möbel gerückt und der Inhalt von Kisten und Schubladen auf den Boden gekippt wurden. Zum Glück hatte ich mich die letzten Monate von Ice ferngehalten, sodass sie nichts außer meiner Bong fanden. Aber die Bong allein bewies noch gar nichts. Rein gar nichts. Beim Abschied warf mir der Beamte, der kurz zuvor nach Licht gefragt hatte, einen warnenden Blick zu, den ich als »Pass bloß auf, du. Wir haben ein Auge auf dich geworfen« deutete.
    Als sie endlich weg waren, kam plötzlich Leben in Tom und ich erlebte ihn von einer Seite, von der ich ihn noch nicht kannte. Er tickte regelrecht aus. Er packte mich am Kragen und schüttelte mich. Tom war anderthalb Köpfe kleiner als ich, aber weil er mein Vater war, ließ ich mich weiter schütteln. Jeder andere, außer vielleicht Ice, hätte meine Faust im Gesicht gehabt.
    »Was hast du gemacht? Sag mir sofort, was du gemacht hast, Kerl!«, schrie er mich an.
    »He, mach dich mal locker, Tom! Gar nichts habe ich gemacht und deswegen haben sie auch nichts gefunden, o.k.?!«
    »Natürlich hast du irgendeine Scheiße gemacht. Die bekommen nicht für nichts einen Hausdurchsuchungsbeschluss. Also verarsch mich nicht!«
    So langsam wurde auch ich wütend. »So. Jetzt sage ICH dir mal was. Was glaubst du, warum wir noch nicht auf der Straße sitzen, hm? … Genau, weil ICH nämlich die Miete bezahlt habe. Und warum musste ich die Miete bezahlen? Weil mein Vater ein echter Loser mit Alkoholproblemen ist. O.k., ich mache schlechten Rap und ich verticke Gras und Pillen. O.k., das ist nichts, worauf man besonders stolz sein müsste, aber immerhin mache ich irgendwas im Gegensatz zu meinem – ach so gelehrten – Erzeuger, der aber leider, leider, leider seinen fetten Arsch nicht mehr vom Sofa kriegt. Kein Wunder, dass Mutsch abgehauen ist.«
    Tom wurde bleich und immer bleicher. Er ließ mich los. Endlich kam er zur Vernunft. Nein, er kam nicht zur Vernunft. Er holte aus und scheuerte mir eine. Nicht zu fassen, Tom schlug tatsächlich seinen achtzehnjährigen Sohn. Ich schluckte und konnte nur mit viel Mühe meine Beherrschung wahren.
    »O.k. Schlag mich ruhig. Aber du weißt genau, dass ich recht habe. Deswegen bist du auch so wütend.«
    Tom ließ von mir ab und starrte mich an.
    »Und jetzt sage ich dir noch was: Mir ist das alles zu blöd hier. Ich hab es satt! So satt. Deine Sauferei habe ich satt und diesen Schwachsinn, den du dir den ganzen Tag reinziehst, habe ich noch viel mehr satt! Wie kann man studiert haben und sich den ganzen Tag von diesem intellektuellen Dünnschiss berieseln lassen? Weißt du was, ich zieh aus!« Damit machte ich auf dem Absatz kehrt, klaubte meine Jacke vom Haken und lief zur Tür.
    »Julian!«, rief er mir noch hinterher.
    Aber ich stopfte mir die Kopfhörer in die Ohren und drehte voll auf. Dann verließ ich diese Gruft, die sich Wohnung nannte. Cypress Hill donnerte in meine Gehörgänge: Set yourself up for catastrophe and that’s the only way that is has to be.

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