Doch die Sünde ist Scharlachrot
Haushalt.
Während sein Haus am Lansdown Close umgebaut wurde, wohnte Alan im Pink Cottage. Er hätte zu seinen Eltern ziehen und somit Geld sparen können; andererseits wollte er, so hatte er Kerra erklärt, auf gewisse Freiheiten nicht verzichten – so sehr er seine Eltern auch liebte. Angesichts der verklärten Bewunderung, die seine Eltern ihm entgegenbrachten, war diese Entscheidung nicht sonderlich freudig zur Kenntnis genommen worden. Seine Eltern hätten eben ein gewisses Bild vom ihm, hatte er Kerra umständlich beizubringen versucht, das er nicht erschüttern wollte.
Sie verstand dies, genau wie er anzudeuten beabsichtigt hatte: »Sie glauben doch wohl hoffentlich nicht, dass du immer noch Jungfrau bist, Alan?« Und als er nicht antwortete: »Im Ernst, Alan?«
»Nein, nein. Natürlich nicht. Selbstverständlich glauben sie das nicht. Was für eine alberne … Sie wissen, dass ich normal bin. Sie sind eben ältere Herrschaften, und es ist eine Art Respektsbeweis ihnen gegenüber, dass ich unter ihrem Dach mit keiner Frau das Bett teile, solange ich noch nicht verheiratet bin. Sie würden das sehr … na ja … eigenartig finden.«
Kerra hatte dies akzeptiert, jedenfalls zu Anfang. Doch mit der Zeit hatte das ganze Thema von Alans Zimmer außerhalb seines Elternhauses einen merkwürdigen Beigeschmack bekommen.
Also musste sie Bescheid wissen. Sie musste sicher sein. Sie sagte zu Busy Lizzie: »Ich habe etwas in Alans Zimmer liegen lassen, Miss Carey« – denn das war ihr richtiger Name –, »und ich wollte fragen, ob ich mal eben hineinschlüpfen und es mir zurückholen kann? Alan hat vergessen, mir seinen Schlüssel mitzugeben. Wenn Sie ihn vielleicht im Büro anrufen möchten …?«
»Ach, das ist doch nicht nötig, mein Kind. Die Tür ist sowieso unverschlossen. Ich will nachher die Betten frisch beziehen. Sie kennen ja den Weg! – Ich sitze gerade vor dem Fernseher. Hätten Sie vielleicht gern ein Tässchen Tee? Oder brauchen Sie Hilfe?«
Kerra lehnte beide Angebote höflich ab. Es werde nicht lange dauern, versicherte sie. Sie werde gleich wieder verschwinden, sobald sie gefunden hatte, weswegen sie gekommen war.
»Sie fahren bei diesem Regenwetter doch nicht etwa mit dem Fahrrad herum, Kindchen? Sie holen sich noch mal den Tod! Sind Sie ganz sicher, dass Sie keine kleine Tasse Tee möchten?«
»Nein, nein danke«, wehrte Kerra ab. »Das ist wirklich nicht nötig, Miss Carey. Und außerdem ist es ja schon fast Mairegen – der macht bestimmt schön.«
Sie kicherten beide über ihren lahmen Scherz und trennten sich am anderen Ende des Wohnzimmers. Busy Lizzie setzte sich wieder vor den Fernseher, und Kerra bog in den Korridor ein, der zur Rückseite des Hauses führte.
Alans Zimmer bot einen Blick auf das südwestliche Ende von St. Mevan Beach. Die Flut hatte beinahe ihren Höchststand erreicht. Wellen brachen in etwa einem Meter Höhe, und in der Ferne sah Kerra wenigstens ein Dutzend Surfer auf dem Wasser. Sie wandte den Blick von ihnen ab; zu sehr erinnerten sie sie an den gestrigen Abend, an ihren Vater und daran, was es bedeuten mochte, dass er einen Teil seines Lebens vor ihr geheim gehalten hatte. Aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um darüber nachzudenken; außerdem musste sie sich beeilen.
Sie suchte nach Indizien, ohne zu wissen, wie diese aussehen würden. Sie musste ergründen, warum der Alan Cheston der jüngsten Zeit nicht mehr derjenige Alan Cheston war, den sie einst kennengelernt und mit dem sie sich eingelassen hatte. Sie glaubte, den Grund zu kennen, aber sie brauchte Beweise. Was sie allerdings damit tun wollte, wenn sie sie fand, darüber hatte sie noch nicht nachgedacht.
Ebenso wenig hatte sie je zuvor ein Zimmer durchsucht. Sie fühlte sich schäbig, aber die einzige Alternative wäre gewesen, ihm vage Anschuldigungen an den Kopf zu werfen, und diesen Weg einzuschlagen, konnte sie sich nicht leisten.
Sie zog die Tür hinter sich zu und sah sich um. Alles hier war so typisch Alan, erkannte sie; jedes Teil stand ordentlich an seinem Platz: die Djembe-Trommel auf ihrem Ständer in der Ecke, davor ein Hocker, auf dem er saß, wenn er sie bei seinen täglichen Meditationen spielte. Das Tamburin, das Kerra ihm einmal im Scherz geschenkt hatte – ehe sie begriffen hatte, welch zentrale Rolle die Trommel in Alans spirituellem Leben spielte –, lehnte daneben an einem Regal, in welchem er seine Yogabücher verwahrte. Auf dem Bücherschrank die Fotos:
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