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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Einen Moment lang war er sich völlig sicher, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt oder beides zu erleiden.
    Dann sog er tief die Luft ein und atmete wieder aus. » Wo kommst du denn her, kleiner Held?«
    »Mama«, sagte der Junge.
    Was in gewisser Weise den Nagel auf den Kopf traf – schließlich war auch Dan aus seiner Mama gekommen –, aber keine hilfreiche Antwort war. Eine schreckliche Schlussfolgerung versuchte sich in Dans dröhnendem Kopf zu bilden, aber damit wollte er überhaupt nichts zu tun haben.
    Er hat gesehen, wie du das Geld genommen hast.
    Schon möglich, aber das war nicht die betreffende Folgerung. Wenn der Kleine das gesehen hatte, na und? Er war noch nicht mal zwei. So kleine Kinder nahmen alles hin, was Erwachsene taten. Wenn er gesehen hätte, wie seine Mama mit feuersprühenden Fingern an der Zimmerdecke entlanghangelte, hätte er auch das hingenommen.
    » Wie heißt du denn, Kleiner?« Dans Stimme pulsierte im Takt mit seinem Herzen, das sich immer noch nicht beruhigt hatte.
    »Mama?«
    Tatsächlich? Das wird deine Mitschüler aber freuen, wenn du in die Highschool kommst.
    »Kommst du aus der Wohnung nebenan? Oder von gegenüber?«
    Bitte sag ja. Denn die Schlussfolgerung lautet: Wenn der Kleine das Kind von Deenie ist, dann ist sie auf Kneipentour gegangen, während der Junge in dieser beschissenen Wohnung eingesperrt war. Allein.
    »Mama!«
    Dann sah der Junge das Koks auf dem Couchtisch und tapste darauf zu. Seine feuchte Windel schwang hin und her.
    »Zucka!«
    »Nein, das ist kein Zucker«, sagte Dan, obwohl es tatsächlich welcher war: Nasenzucker.
    Ohne auf ihn zu achten, griff der Junge mit einer Hand nach dem weißen Pulver. Als er das tat, sah Dan auf seinem Oberarm blaue Flecke. Solche, die entstanden, wenn man mit der Hand zudrückte.
    Er packte den Kleinen um die Taille und zwischen den Beinen. Während er ihn aufhob und vom Tisch wegschwenkte (aus der nassen Windel tropfte durch seine Finger Urin auf den Boden), kam ihm ein Bild in den Sinn, kurz, aber qualvoll klar: der Deenie ähnelnde Typ auf dem Foto im Portemonnaie, wie er den Jungen hochhob und schüttelte. Und dabei die Abdrücke seiner Finger hinterließ.
    (he Tommy ich hab dir doch gesagt du sollst abhauen ist das so schwer zu kapieren oder was?)
    (hör auf Randy er ist doch noch ein Baby)
    Dann war es vorüber. Aber die zweite, schwach protestierende Stimme war die von Deenie gewesen, und er begriff, dass es sich bei Randy um ihren älteren Bruder handelte. Das war einleuchtend. Nicht immer war es der Freund, der ein Kind missbrauchte. Manchmal war es der Bruder. Manchmal der Onkel. Manchmal
    (komm raus da du freches Balg und hol dir was du verdienst)
    war es sogar der liebe alte Papa.
    Er trug den Kleinen – Tommy, er hieß Tommy – ins Schlafzimmer. Als das Kind seine Mutter sah, begann es sofort, sich zu winden. »Mama! Mama! Mama! «
    Dan setzte Tommy ab, der zur Matratze tapste und neben seine Mutter kroch. Obwohl Deenie schlief, legte sie den Arm um ihn und zog ihn an sich. Dabei rutschte sein T-Shirt hoch, und Dan sah an seinen Beinen weitere blaue Flecke.
    Der Bruder heißt Randy. Ich könnte ihn aufspüren.
    Dieser Gedanke war so kalt und klar wie die Eisdecke eines Sees im Januar. Wenn er das Foto aus dem Portemonnaie in die Hand nahm und sich konzentrierte, ohne auf das Hämmern in seinem Kopf zu achten, konnte er den großen Bruder wahrscheinlich aufspüren. So etwas hatte er schon mehrmals getan.
    Ich könnte ihm selbst ein paar Blutergüsse verschaffen. Und ihm drohen, ihn beim nächsten Mal umzubringen.
    Nur würde es kein nächstes Mal geben. Mit Wilmington war er fertig. Er würde Deenie und diese desolate kleine Wohnung nie wiedersehen. Er würde nie wieder an die vergangene Nacht und an diesen Morgen denken.
    Diesmal war es die Stimme von Dick Hallorann. Falsch, Kleiner. Die Dinger aus dem Overlook kannst du in deinen Schließfächern unterbringen, aber Erinnerungen nicht. Niemals. Das sind die echten Geister.
    Auf der Türschwelle stehend, betrachtete er Deenie und ihren mit blauen Flecken übersäten Jungen. Der war wieder eingeschlafen, und in der Morgensonne sahen die beiden fast wie zwei Engel aus.
    Sie ist kein Engel. Selbst wenn die blauen Flecke nicht von ihr stammen, ist sie einfach um die Häuser gezogen und hat ihn allein gelassen. Wenn ich nicht da gewesen wäre, als er aufgewacht und ins Wohnzimmer gekommen ist …
    Zucka, hatte der Junge gesagt und nach dem Koks gegriffen. Nicht

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