Doener, Machos und Migranten
der Vergangenheit nicht immer so. Zwar verlief die berufliche Eingliederung von Schülern der Förderschule von jeher problematisch. Zu Zeiten eines gut funktionierenden Arbeitsmarktes konnte aber der überwiegende Teil dieser Schulabgänger noch einen Ausbildungsplatz oder zumindest einen gering qualifizierten Arbeitsplatz finden. So hat sich der berufliche Einmündungsprozess – zumindest oberflächlich betrachtet – damals als nicht unbefriedigend dargestellt.
Sowohl einfache Handwerkerberufe mit geringen theoretischen Anforderungen als auch Ausbildungsberufe in der Schwerindustrie oder im Bergbau boten einst vielfältige Chancen auch für weniger qualifizierte Schulabgänger. Das war in jener Zeit, in der zunehmend aus den sogenannten Anwerbeländern – zunächst hauptsächlich aus Italien, Spanien und Portugal, später auch aus Griechenland und der Türkei – zusätzliche Arbeitskräfte nach Deutschland geholt wurden. Hierbei handelte es sich in der Regel ausschließlich um gering- oder unqualifizierte Arbeitskräfte, die in ihren Heimatländern im Wesentlichen in der Landwirtschaft beschäftigt waren.
Noch in den 1950er und 60er Jahren wurden gerade von größeren Betrieben sogenannte Kalfaktoren als Laufburschen, Büroboten oder als «Mädchen für alles» eingesetzt. Diese Tätigkeiten sind vollends verschwunden. Besonders in unserer Region sind durch den Rückgang des Bergbaus und die Rationalisierung in der Stahlindustrie zahlreiche einfache Arbeitsplätze weggefallen. Gerade für lernschwache Jugendliche boten sich hier in den früheren Jahren sehr guteBeschäftigungsmöglichkeiten. Zwar handelte es sich zumeist nicht um qualitativ besonders gute Arbeitsplätze, dennoch konnte der eigene Lebensunterhalt in der Regel gesichert werden. Über die berufliche Tätigkeit hinaus konnte auch der durch den Schulbesuch festgeschriebene Behindertenstatus weitgehend überwunden werden. Letztlich hat sich die traditionelle Hilfsschulpädagogik seit Anfang des 19. Jahrhunderts weitgehend dadurch legitimiert, die Schüler zur Lebenstüchtigkeit zu erziehen und damit in die Lage zu versetzen, eigenständig für den Lebensunterhalt zu sorgen.
Mit Beginn der Bildungsreformen Mitte der 1960er Jahre wurde diese Position zu Recht kritisiert. Die Bildungsreformer forderten auch für die Abgänger von Förderschulen qualifizierte Ausbildungsgänge, um nicht nur der einseitigen Anpassung der Förderschüler an die gesellschaftlichen Verhältnisse Rechnung zu tragen, sondern auch die Erziehung zur Selbstbestimmung zu fördern (vgl. Sieglind Ellger-Rüttgardt, «Die berufliche Bildung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf – historische Aspekte und gegenwärtige Anforderungen», in: Zeitschrift für Heilpädagogik, 12/2006, S. 442–448).
Die Realität heute sieht anders aus. Selbst die damals vielgeschmähten Tätigkeiten sind inzwischen fast gänzlich verschwunden. Stattdessen gibt es öffentlich subventionierte Ein-Euro-Jobs ohne langfristige Perspektiven oder Arbeitsplätze unter der sozialabgabenpflichtigen Einkommensgrenze. Einfache Hilfsarbeitertätigkeiten sind kaum noch vorhanden. Was bleibt, ist daher nur eine qualifizierte Berufsausbildung. Hier aber steht man in direkter Konkurrenz zu Schülern mit qualifizierteren Schulabschlüssen.
Nun sollte aber die Vorbereitung auf die berufliche Integration eine wesentliche Aufgabe der Schule darstellen. Nicht nur fürdie Kinder aus Migrantenfamilien, sondern für alle Schüler sollte die Zielsetzung der schulischen Ausbildung darin bestehen, sie zu einer weitgehend selbstständigen, autonomen Lebensführung zu bringen. Und eine wesentliche Grundlage hierfür ist die berufliche Tätigkeit und die damit einhergehende ökonomische Basis.
Wie aber soll die schulische Vorbereitung angesichts des heutigen Arbeitsmarkts aussehen? Die offizielle Schreibweise lautet folgendermaßen: «Die Schule hat den Auftrag, alle Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu fördern, in Übereinstimmung von Lebens- und Berufsplanung Strukturen der Wirtschafts- und Arbeitswelt und deren raschen und grundlegenden Veränderungen zu erfassen und zu reflektieren; Möglichkeiten der Arbeit in der Wirtschafts- und Arbeitswelt zu erschließen, mitzugestalten und für sich zu nutzen; eigene Ansprüche zu entwickeln und einzulösen und im Laufe ihrer Schullaufbahn und im Erwachsenenleben jeweils verantwortliche Entscheidungen zu treffen, die in ihrer Gesamtheit Wege
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