Doener, Machos und Migranten
wechseln wollte. Die Hauptschule war nur ein Übergang für sie. Der Wechsel zur Gesamtschule gestaltete sich problemlos. Hier lernen die guten und die etwas schwächeren Kinder gemeinsam. Ab einer bestimmten Klasse werden die leistungsstärkeren Kinder inErweiterungskursen differenziert unterrichtet. So besteht die Möglichkeit, dass ein Schüler bzw. eine Schülerin nach Abschluss der Sekundarstufe I die Sekundarstufe II besuchen kann, falls er/sie zuvor in den Erweiterungskursen in den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch erfolgreich war.
Hivda ist eines der wenigen Beispiele für die genutzte Chance auf eine gelungene Integration in unser Schulwesen. Vielleicht macht sie ihren Traum, Lehrerin zu werden, wahr, die Möglichkeit hat sie jetzt. Mit jedem Schulwechsel kommt sie diesem Traum ein Stück näher.
Manchmal stelle ich mir die Frage, warum Hivda es geschafft hat und andere Kinder trotz der gleichen Förderung noch nicht einmal den Hauptschulabschluss erreichen. Ein wesentlicher Grund liegt meines Erachtens in der Aufgeschlossenheit des Elternhauses. Auch wenn Herr A. seiner Tochter inhaltlich nicht helfen konnte, so hat er ihr doch schulisch gesehen keine Steine in den Weg gelegt. Die Familie war dankbar für jede Art der Förderung. Hivda durfte auch stets ihre Schulfreundinnen besuchen und lud sie ebenfalls zu sich nach Hause ein. Oftmals erzählte sie mir freudestrahlend: »Elisabeth hat bei mir übernachtet. Wir haben gespielt und getanzt.» Ich kenne etliche andere Familien, bei denen sich die Freundschaften bzw. Sozialkontakte lediglich auf die eigene Großfamilie reduzieren. Am Wochenende besuchen sich die Verwandten untereinander und die Kinder haben dann nur die Möglichkeit, mit ihren Cousins und Cousinen zu spielen. Außerhalb dieses Rahmens besteht kaum die Gelegenheit, Freundschaften anzubahnen. Persönliche Vorlieben oder Neigungen bleiben unberücksichtigt.
Einige Schülerporträts haben den Unterschied in der Haltung des Elternhauses besonders deutlich gemacht. So erscheinen zuweilen die Erziehungsberechtigten nur nach intensivem Drängen durch die Schulleitung zu Elterngesprächen, Absprachen werden seitens der Familie nicht eingehalten. Gute schulische Leistungen sind in sehr vielen Familien nicht erstrebenswert. Eine soziale Verbesserung oder Besserstellung wird nicht gewünscht. Ich mache täglich die Erfahrung, dass es Familien gibt, die sich einfach nicht helfen lassen wollen. Die Verlierer sind dabei leider immer die Kinder.
«Die Kluft wächst» – Die Zukunft unserer Schüler
Unbestreitbar ist der Grad der persönlichen Integration in eine Gesellschaft von den individuellen Möglichkeiten, sich in diese Gesellschaft einzubringen, abhängig. Voraussetzung hierfür ist eine ausreichende Bildung. Sie ermöglicht es, die gesellschaftliche Realität bewusst wahrzunehmen und mit zu beeinflussen. Gleichzeitig bietet sie auch die notwendige Voraussetzung für eine finanzielle Unabhängigkeit. Beides ist nicht erst in unserer heutigen Zeit im Wesentlichen von der jeweiligen beruflichen Position, die der Einzelne einnimmt, abhängig. Folglich ist nur über eine gute, qualifizierte Berufsausbildung eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich. Weniger qualifizierte Arbeitskräfte verfügen in der Regel nur über ein geringes Einkommen oder werden häufig allein über Sozialleistungen staatlich subventioniert. Sie haben auch kaum Möglichkeiten der gesellschaftlichen Einflussnahme. Wie wir aus vielen soziologischen Untersuchungen wissen, ist das nicht nur ein Problem von Migranten, sondern trifft in allen Gesellschaftsformen in gleicher Weise auf viele Angehörige der Unterschicht zu. Menschen, denen durch Arbeitslosigkeit die Existenzgrundlage entzogen oder von vornherein keine Chance für den Einstieg in die Arbeitswelt geboten wurde, ziehen sich zunehmend aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Sie sind nicht in Vereinen aktiv, sie nehmen wenig oder kaum an kulturellen Veranstaltungen teil und verzichten auch weitgehend auf ihre Mitwirkung in politischen Entscheidungsprozessen. So sind Arbeitslose in den politischen Parteien unterrepräsentiert, und selbst dieWahlbeteiligung liegt bei ihnen weit unter den Durchschnittswerten.
Um diesem Kreislauf entgegenzuwirken, stellt die Vorbereitung auf eine qualifizierte Berufsausbildung eine wesentliche Aufgabe der Schule dar. Insbesondere die Schüler einer Förderschule stammen fast ausschließlich aus
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