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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Leatherby-Hunter empor. Sie war mit der Leitung des Pflegepersonals im Heiligen-Grab-Hospital betraut, doch Sir Lancelot und alle anderen sprachen sie mit dem traditionellen und furchtgebietenden Titel «Oberin» an.
    Sir Lancelot zwang sich ein gewinnendes Lächeln ab. «Darf ich Sie mit Ms. Amelia Witherspoon bekannt machen? Sie ist eine der führenden amerikanischen Autorinnen.»
    Der Blick der Oberin wurde zum Scheinwerferstrahl eines Leuchtturms. Sie war groß und schlank bis zur Grenze der Dürrheit, hoch erblondet, grauäugig und geschieden. Obwohl nicht mehr verpflichtet, Uniform zu tragen, wirkte ihr streng geschnittenes hellblaues Kleid wie eine solche. An ihrer linken Brust steckte das glänzende silberne Abzeichen der St.-Swithin-Schwesternschaft. Sie entschuldigte ihre Unvertrautheit mit Amelias Namen, indem sie sagte: «Leider läßt mir mein Beruf nicht die Zeit, Bücher zu lesen.»
    «Ihre Aufopferung im Dienste der Menschheit kann nicht überboten werden», murmelte Amelia leichthin.
    Die Oberin schien dies zu überhören. «Sir Lancelot, was ich Ihnen zu sagen habe, kann nur vertraulich mitgeteilt werden.» Sie zog ihn mit festem Griffin eine Ecke. «Man kann diesen Ort nur mit einem einzigen Wort umschreiben.»
    «Ersparen Sie mir ein Erröten —»
    «Ich sage nur: Skutari. Meiner Namensschwester im Krimkrieg, Florence Nightingale, wurde zumindest für ihr Aufzeigen krasser Fälle von Dummheit und Fahrlässigkeit öffentliche Anerkennung zuteil. Hier wird nicht das geringste zur Kenntnis genommen. Ich weiß nicht, ob ich erstaunt, entsetzt oder auch nur amüsiert darüber sein soll, daß die Regierung von mir erwartet, ein solches Hospital zu führen. Mir stehen nur ungenügend ausgebildete Schwestern zur Verfügung, von denen kaum eine Englisch spricht. Die Krankenträger machen dauernd entweder Streik oder Teepause. Das Haus fällt der Vernichtung anheim wie Sodom und Gomorrha. Die Patienten benehmen sich wie Popstars auf Tournee, ich soll ihnen auf den leisesten Wink zur Verfügung stehen —»
    «Wir alle haben unsere kleinen örtlich bedingten Schwierigkeiten.»
    «Seien Sie doch nicht ein solcher Schlappschwanz! Großer Gott, Sie bringen mich in Weißglut, Lancelot! Selbst der Kapitän der Titanic konnte einen Eisberg erkennen, sobald er ihn vor Augen hatte.» Sie maß ihn mit einem Blick wie ein Angler, der eine fette Made aussucht. «Sie sitzen im zuständigen Gesundheitsamt. Sie haben Einfluß. Sie sind wie Pech und Schwefel mit Jenny Porter und Ronnie Cherrymore, die ebenfalls im Gemeinderat etwas zu reden haben. Und Sie trinken immer wieder eins mit Sir Charles vom Gesundheitsministerium im Club — in den Sie meiner Meinung nach, in Hinblick auf Ihre Leber, viel zu oft gehen. Entschuldigen Sie bitte, was ich da sagte», schloß sie, weicher werdend, ihre Ausführungen. «Aber Sie wissen ja, wie sehr mir Ihr Wohlergehen am Herzen liegt, Lancelot.»
    «Mir bleibt nichts anderes als der Club oder Miss MacNish. Da lasse ich mich lieber von schottischem Whisky vergiften als von schottischer Küche.»
    «Wir müssen uns bald wegen Ihrer häuslichen Verhältnisse zu einem ausgiebigen Plausch zusammensetzen. Was tut dieses Frauenzimmer?» fragte sie plötzlich böse. Amelia fotografierte mittels einer winzigen Kamera, die sie ihrer Handtasche entnommen hatte, zwei verwirrte alte Männer in gestreiften Schlafanzügen, denen sie eingeschärft hatte, nicht zu lächeln.
    «Sir Charles schickte sie zu mir. Sie ist hierhergekommen, um über unseren Volksgesundheitsdienst zu schreiben.» .
    «Hierher?»
    «Wahrscheinlich unter der Voraussetzung, daß der meistbesuchte Teil von Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett die Schreckenskammer ist.»
    «Ich hoffe, daß Sie darauf achten, was sie schreibt. Erinnern Sie sich doch an dieses blöde Gefasel, das die Zeitungen über die Zehe im Brotpudding brachten. Hat Pip angerufen?» Sir Lancelot nickte. Ihr Ton besänftigte sich wieder. «Wie geht’s dem lieben Jungen? Hoffentlich beeinträchtigen die Tropen seine Lebenskraft nicht. Er war stets ein eher kränkliches Kind.»
    «Der einzige Teil, der an ihm nicht in Ordnung ist, liegt zwischen seinen Ohren», erklärte Sir Lancelot.
    «Kennen Sie seine Frau? Die beiden passen so gut zueinander. Auch sie ist hochintelligent.»
    «Meine Bekanntschaft mit ihr beschränkt sich auf ein äußerst fettes und unverdauliches Dinner.»
    «Aber sie ist eine hervorragende Köchin. Da müssen Sie schon wieder einmal zuviel

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