Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
habe, das ich Euch gezeigt hatte?«
»Ja. Ja, das tue ich«, sagte Klin und lachte, als würden sie eine nostalgische Erinnerung teilen.
Geder lachte ebenfalls, und dann tilgte er die Erheiterung aus seinem Gesicht. »Ich auch.«
Er ließ Klins Hand fallen, wandte sich ab und ging mit dem Gefühl davon, der Boden selbst würde sich erheben, um seinen Schritten entgegenzukommen. Draußen war ein Tag des blauen Himmels und des eisigen Winterwinds. Sein Vater stand in der Nähe der Stufen, die zu den Kutschen hinabführten, um das Chaos aus Pferden, Holz und Rädern zu betrachten. Er hielt eine Pfeife in der Hand, aber sie schien nicht angezündet zu sein.
»Also ist der politische Prozess zu seinem naheliegenden Ende gekommen?«, fragte Lerer.
»Hast du nicht zugesehen?«
»Ich bin zu alt für blutige Vorführungen. Wenn es getan werden muss, dann soll man es tun, aber doch kein Theaterstück daraus machen.«
»Aber der König muss ein Exempel statuieren, oder nicht? Er versucht, Asterilreich davon abzubringen, sich bei uns einzumischen«, sagte Geder. Er fühlte sich verletzt, dass sein Vater nicht bei Maas’ Tod zugesehen hatte. »Sie wollten Prinz Aster töten .«
»Ich nehme es an«, sagte Lerer. »Trotzdem. Ich bin verdammt froh, nach Hause zu kommen, den Gestank von Camnipol nicht mehr auf der Haut zu haben. Wir sind zu lange von Bruchhalm fort gewesen.«
Wenn wir die Freiheit der Menschheit verstehen wollen, müssen wir zunächst ihre Versklavung verstehen. Die Wurzel aller Rassen – sogar der Erstgeborenen – liegt in der Herrschaft der Drachen, und das Ende dieser Herrschaft muss notwendigerweise den Beginn einer eigenen menschlichen Geschichte darstellen. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass der letzte Atemzug des letzten Drachen der erste Augenblick des Zeitalters der Menschen in all seiner Vielfalt war. Aber wie jede Freiheit war es gebunden und festgelegt durch das, was zuvor war. Unser Wissen über das Drachenimperium ist im besten Fall unvollkommen, aber ich behaupte, dass die Entdeckung der Höhlenpaläste unter Takynpal uns den besten Einblick in das gewährt, was ich beschlossen habe, das Zeitalter der Gestaltung zu nennen.
Geder blätterte vor, las Seiten wieder, die er früher übersetzt hatte. Das Papier war vom Alter braun und brüchig. Er hatte es nicht gern in der Hand, weil er fürchtete, dass die Seiten unter seinen Fingern brechen und in seinen Händen zerbröckeln würden, aber er musste so dicht an den ursprünglichen Text kommen wie möglich. Es schien ihm, dass es etwas geben musste – ein Wort oder einen Satz, den man auf mehr als eine Weise übersetzen konnte –, das die Existenz und Geschichte der Göttin erwähnte.
Die Tür seines Wohnzimmers ging auf, und Basrahip kam herein. Er trug noch immer die Roben aus dem Tempel, aber er hatte ein Paar Stiefel mit lederner Sohle akzeptiert, um über die gepflasterten Straßen von Camnipol zu gehen. Zwischen den tiefroten Wandbehängen und weichen Polstersesseln des Hauses der Palliako in Camnipol wirkte er völlig fehl am Platz. Ein Wüstengewächs in einem Rosenarrangement. Er lächelte Geder zu und verbeugte sich.
»Wart Ihr wieder spazieren?«, fragte Geder.
»Ich hatte Geschichten von den großen Städten der Welt gehört, aber nichts, was ich mir ausgemalt hatte, hätte so großartig und so verderbt sein können«, sagte der Priester. »Ein Junge, der nicht mehr als sieben Sommer alt war, hat mich angelogen. Und ohne einen Grund zu haben.«
»Was hat er gesagt?«
Der hünenhafte Priester trottete zu einem Sessel gleich gegenüber von Geder und ließ sich hineinsinken. Das Holz knarrte unter ihm, während er sprach. »Dass er mir die Zukunft für drei Kupfermünzen vorhersagen könnte. Er wusste, dass es nicht stimmte. Ein Kind.«
»Er war ein Bettler«, erklärte Geder. »Natürlich hat er versucht, Euch zu beschummeln. Sie brauchen das Geld für Nahrung. Ich denke, Ihr solltet aber aufpassen, wo Ihr hingeht. Es gibt Teile der Stadt, die nicht sicher sind. Besonders nach Einbruch der Dunkelheit.«
»Ihr lebt in einem Zeitalter der Dunkelheit, mein Freund. Diese Stadt wird unfassbar schön sein, wenn sie rein ist.«
»Wart Ihr im Tempel?«
»Ja«, sagte Basrahip. »Es ist ein schönes Gebäude. Ich freue mich auf den Tag, wenn ich es mir zu eigen machen kann.«
»Der Papierkram sollte bald erledigt sein. Bestimmt noch, bevor sie den Hof schließen, und das ist von heute an in weniger als einer Woche. Aber
Weitere Kostenlose Bücher