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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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der Straßenecke hinter mir. Er grinste blöde und winkte mir zu. als wolle er mir zu verstehen geben, daß er sich nicht hatte beherrschen können. Ich schoß über die Straße, ohne ihm Zeit zu lassen, mich einzuholen. Don Juan schien meine mißliche Lage zu erkennen. Als ich ihn erreichte, warf er einen verstohlenen Blick über meine Schulter.
    »Er kommt«, sagte er. »Laß uns lieber in die Seitenstraße einbiegen!«
    Er wies auf eine Straße, die den Paseo de la Reforma an der Stelle, wo wir standen, im spitzen Winkel kreuzte. Rasch orientierte ich mich. Ich war nie zuvor in dieser Straße gewesen, aber vor zwei Tagen war ich in dem Büro der Fluggesellschaft gewesen. Seine eigenartige Lage war mir vertraut. Das Büro lag nämlich im spitzen Winkel zwischen den beiden Straßen. Auf jede der beiden Straßen führte eine Tür, und der Abstand zwischen den zwei Türen betrug etwa vier bis fünf Meter. Von Tür zu Tür führte eine Passage durch das Büro, und man konnte ohne weiteres von einer Straße zur anderen wechseln. Auf einer Seite dieses Durchgangs standen Schreibtische, und auf der anderen eine große, runde Schaltertheke, hinter der Hostessen und Kassierer standen. Damals, als ich hier gewesen war, hatten sich viele Leute in den Raum gedrängt.
    Ich wollte schneller ausschreiten, vielleicht sogar rennen, aber Don Juan behielt sein gemächliches Tempo bei. Als wir die Tür des Büros - auf der Querstraße - passierten, wußte ich, ohne mich umdrehen zu müssen, daß mein Freund ebenfalls den Boulevard überquert hatte und sich anschickte, in die Straße einzubiegen, in der wir gingen. Ich sah Don Juan an. da ich hoffte, er wisse eine Lösung. Er hob die Schultern. Ich war ärgerlich, und mir selbst fiel nichts ein, außer vielleicht, meinen Freund in die Fresse zu hauen. Genau in diesem Augenblick mußte ich wohl geseufzt oder tie fausgeatmet haben, denn das nächste, was ich spürte, war eine plötzliche Atemnot, bedingt durch einen gewaltigen Stoß, den Don Juan mir versetzt hatte und der mich durch die Tür des Luftfahrtbüros wirbelte. Von diesem ungeheuren Stoß getrieben, segelte ich buchstäblich in den Raum. Don Juan hatte mich so unvorbereitet erwischt, daß mein Körper keinerlei Widerstand geboten hatte; mein Schrecken vermischte sich mit dem tatsächlichen Schock seines Remplers. Automatisch hob ich die Arme vors Gesicht, um mich zu schützen. Der Schubs, den Don Juan mir gegeben hatte, war so heftig gewesen, daß mir die Spucke aus dem Mund spritzte und ich einen leichten Schwindel verspürte, als ich in die Halle stolperte. Ich verlor fast das Gleichgewicht und mußte mich gewaltig anstrengen, um nicht zu stürzen. Ich drehte mich ein paarmal um meine eigene Achse. Der Schwung meiner Drehung ließ die Szene verschwommen erscheinen. Wie durch einen Schleier nahm ich die Menge der Kunden wahr, die ihren Geschäften nachgingen. Ich war sehr verlegen. Ich wußte, daß alle mich anstarrten, wie ich so durch die Halle taumelte. Die Vorstellung, daß ich mich öffentlich blamierte, war mir mehr als unangenehm. Eine Reihe von Überlegungen schoß mir durch den Kopf. Ich war ganz sicher, daß ich auf die Nase fallen würde. Oder ich würde mit einem Kunden zusammenstoßen, vielleicht einer alten Dame, die sich durch den Zusammenprall eine Verletzung zuziehen würde. Oder, noch schlimmer, die Glastür am anderen Ende mochte geschlossen sein, und ich würde dagegen fallen.
    Ganz betäubt erreichte ich die Tür, die auf den Paseo de la Reforma führte. Sie war offen - und ich stand draußen. Meine einzige Sorge war jetzt, ganz ruhig zu bleiben, mich nach rechts zu wenden und auf dem Boulevard stadteinwärts zu schlendern, als sei nichts geschehen. Ich war sicher, daß Don Juan mich einholen würde und daß mein Freund vielleicht auf der Querstraße weitergegangen war.
    Ich öffnete die Augen, oder genauer gesagt, ich konzentrierte meinen Blick auf den Schauplatz vor mir. Ich war längere Zeit benommen, bevor mir ganz klar wurde, was los war. Ich befand mich nicht auf dem Paseo de la Reforma, auf dem ich hätte sein sollen, sondern auf dem Lagunilla-Markt, mehr als zwei Kilometer entfernt.
    Was ich in dem Augenblick empfand, als mir dies klar wurde, war ein so heftiges Erstaunen, daß ich nur noch verdutzt vor mich hinstarren konnte.
    Ich schaute in die Runde, um mich zu orientieren. Ich stellte fest, daß ich tatsächlich ganz nahe der Stelle stand, wo ich an meinem ersten Tag in Mexico City Don Juan

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