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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Bewegung ihre Augen nach allen Seiten umher, daß man sie für eine Wahnsinnige halten mußte, wodurch Dorothea, so wie die übrigen, die zugegen waren, innig gerührt wurden. Mit aller Kraft hielt sie der Ritter bei den Schultern zurück, und da er so beschäftigt war, konnte er seine Maske nicht halten, die herabzufallen drohte und die nun auch wirklich auf die Erde fiel: und indem Dorothea, die die Dame umfaßt hielt, die Augen aufschlug, sah sie, daß der Ritter, der sie ebenfalls umfaßte, ihr Gemahl Don Fernando war, und kaum hatte sie ihn erkannt, so stieß sie aus innerster Brust ein langes und herzdurchdringendes Ach! aus und fiel hinterrücks ohnmächtig nieder, so daß sie auf den Boden gestürzt wäre, wenn der Barbier, der daneben stand, sie nicht in seinen Armen aufgefangen hätte.
    Der Pfarrer lief sogleich hinzu und nahm ihr die Maske ab, um ihr Wasser in das Gesicht zu spritzen, und in demselben Augenblicke erkannte sie auch Don Fernando, der die andere Dame in seinen Armen hielt, und wäre fast gestorben, als er sie sah. Doch ließ er deswegen Lucinde nicht los, die sich aus seinen Armen zu winden strebte, denn sie hatte Cardenio an der Stimme erkannt, wie er sie. Zugleich vernahm Cardenio den Ausruf, den Dorothea ausstieß, als sie ohnmächtig niedersank, und glaubte, daß es seine Lucinde sei, er brach also mit Entsetzen aus dem Gemach, und das erste, was er erblickte, war Don Fernando, der Lucinde in den Armen hielt. Auch Don Fernando erkannte sogleich Cardenio, und alle drei, Lucinde, Cardenio und Dorothea, standen stumm und erstaunt, als wenn sie sich nicht besinnen könnten, was ihnen begegnet sei. Alle schwiegen und alle schauten sich an, Dorothea den Don Fernando, Don Fernando den Cardenio, Cardenio Lucinde und Lucinde den Cardenio; wer aber zuerst das Schweigen brach, war Lucinde, die so zu Don Fernando redete: »Laßt mich los, Don Fernando, um deswillen, was Ihr Euch selber schuldig seid, wenn Ihr es auch aus keiner anderen Rücksicht tun wollt, damit ich mich um die Mauer schlinge, deren Efeu ich bin und von der mich so wenig Eure Bewerbung wie Drohungen, Versprechungen und Geschenke losreißen konnten. Seht, wie mich der Himmel auf wunderbaren und unbekannten Wegen zu meinem wahren Gemahl geführt hat, und Ihr wißt ja durch tausend teure Erfahrungen, daß nur der Tod allein imstande ist, ihn aus meinem Gedächtnisse zu vertilgen. Dies wiederhole ich jetzt noch einmal, damit Ihr (wenn Ihr nicht anders könnt) Eure Liebe in Wut, Eure Zuneigung in Haß verwandelt und mir so das Leben nehmt, das ich doch nicht für verloren achte, wenn ich es hier vor meinem teuren Gemahl aufopfere: dann überzeugt ihn wohl mein Tod von der Treue, die ich ihm bis zum letzten Atemzuge meines Lebens bewahrt habe.«
    Dorothea war indessen zu sich gekommen und hatte alles gehört, was Lucinde sagte; daraus erfuhr sie, wer sie sei, und da sie sah, daß Don Fernando sie immer noch nicht aus seinen Armen ließ, ihr auch nicht antwortete, nahm sie alle ihre Kraft zusammen, stand auf und kniete zu seinen Füßen nieder, und unter Vergießung vieler schönen und rührenden Tränen fing sie also an zu reden: »Wenn nicht, mein Gebieter, die Strahlen der Sonne, die du verdunkelt in deinen Armen hältst, deinen Augen alles Licht geraubt haben, so hast du schon gesehen, daß diejenige, die jetzt zu deinen Füßen kniet, die unglückliche Dorothea ist, die elend bleiben wird, solange du es beschließest. Ich bin jenes demütige Landmädchen, die du durch deine Güte oder Liebe so hoch emporheben wolltest, daß sie sich die deinige nennen dürfte; ich bin die, die von den Grenzen der Sittsamkeit beschränkt, ein zufriedenes Leben lebte, bis sie auf deine ungestümen Bitten und auf deine ernsthaft scheinende Liebe die Tore ihrer Einsamkeit öffnete und dir die Schlüssel ihrer Freiheit übergab, ein Geschenk, das du schlecht erkanntest, wie man deutlich sehen kann, da ich gezwungen bin, daß du mich hier findest, wo du mich fandest, daß ich dich so wiedersehe, wie ich dich wiedersehe. Aber darum muß der Gedanke nicht in deine Seele kommen, daß mich meine Unehre hierher geführt, nein, nur der Schmerz, mich von dir vergessen zu sehen, hat mich so weit gebracht. Du wolltest, ich sollte die deinige sein, und wolltest es so, daß wenn du es nun auch nicht mehr willst, du dennoch immer der meinige bleiben mußt. Erwäge, mein Geliebter, daß für die Schönheit und den Adel, um derentwillen du mich verläßt, meine innigste

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