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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Herrschaften haben sich in einen Punkt und in ein Nichts verloren, sie sowohl als diejenigen, die ihnen den Ursprung gaben; denn es wäre jetzt wohl nicht möglich, einen von ihren Abkömmlingen aufzufinden, oder wenn wir es könnten, so würden wir ihn in einem gemeinen und niedrigen Stande antreffen. Vom Volke brauche ich nicht weiter zu sprechen; denn es dient nur, die Zahl der Lebendigen zu vermehren, ohne einen Ruhm oder ein Lob wegen seiner Herrlichkeit zu verdienen. Aus dem bisher Gesagten sollt ihr, Maulaffen, abnehmen, daß unter den Familien und ihrer Abkunft große Verwirrung herrscht und daß nur diejenigen als groß und herrlich erscheinen, die es durch ihre Tugend, ihren Reichtum und ihre Freigebigkeit beweisen. Ich sage: durch ihre Tugenden, Reichtümer und Freigebigkeit; denn der Große, der lasterhaft ist, ist nur ein großer Lasterhafter, und der Reiche, der nicht freigebig ist, ist ein geiziger Bettler; denn den Besitzer der Reichtümer macht das nicht glücklich, daß er sie hat, sondern daß er sie ausgibt, und zwar nicht, daß er sie nach seinem Gefallen ausgibt, sondern daß er sie gut auszugeben versteht. Dem armen Ritter bleibt kein anderer Weg, sich als Ritter zu bewähren, als der der Tugend übrig, indem er dienstfertig, wohlgezogen, höflich, artig und gefällig ist; daß er nicht prahlt, nicht großtut, nicht verleumdet, besonders sich aber mitleidig zeigt; denn mit zwei Maravedis, die er dem Armen mit frohem Mute reicht, kann er sich so freigebig beweisen wie derjenige, der die Glocken läuten läßt, um Almosen auszuteilen, und niemand, der ihn mit den obengenannten Tugenden geschmückt sieht, wenn er ihn auch nicht kennen sollte, wird es unterlassen, ihn für einen Mann von edler Abkunft zu erklären. Geschähe dieses nicht, so wäre es ein Wunder; denn immer war das Lob die Belohnung der Tugend, und den Tugendhaften kann es nicht fehlen, gelobt zu werden. Zwei Wege gibt es, meine Kinder, auf denen die Menschen zu Reichtum und Ehre gelangen können; der eine ist der Weg der Wissenschaften, der zweite der der Waffen. Ich bin den Waffen mehr als den Wissenschaften zugetan und wurde, nach meiner Neigung zu den Waffen, unter dem Einfluß des Planeten Mars geboren, so daß ich gleichsam gezwungen bin, diesem Wege zu folgen; auch denke ich auf ihm zum Trotz der ganzen Welt fortzuwandeln; deshalb wird es auch vergebens sein, euch in Überredungen zu erschöpfen, daß ich das nicht wollen möge, was der Himmel will, was das Schicksal mir vorschreibt, die Vernunft fordert und wozu mich vor allen Dingen mein Verlangen treibt. Ich kenne die unzähligen Beschwerden recht gut, die mit der irrenden Ritterschaft verbunden sind; aber ich kenne auch das unschätzbare Gut, welches durch sie erlangt wird. Ich weiß, daß der Pfad der Tugend eng ist und der Weg des Lasters breit und geräumig. Auch weiß ich, daß das Ziel und Ende von beiden sehr verschieden ist; denn der große und geräumige Weg des Lasters endigt im Tode, der schmale und beschwerliche Pfad der Tugend aber endigt im Leben, und zwar nicht in einem Leben, das endigt, sondern in einem solchen, welches niemals beschlossen wird. Ich weiß, was unser großer kastilianischer Poet hierüber sagt:
Nur diese rauhen Wege kann man steigen
Auf zur Unsterblichkeit erhabnem Sitze,
Den nie erlangen, welche abwärts neigen.
    »Ach, ich Unglückskind!« rief die Nichte, »mein Herr Oheim ist auch ein Poet; er weiß alles, er kann alles. Ich wette, wenn es ihm einfiele, Maurermeister zu sein, er würde ein Haus nicht anders wie einen Käfig zuammenbauen.«
    »Ich versichere dich, Nichte«, antwortete Don Quixote, »daß wenn diese Ritterschaftsgedanken nicht alle meine Sinne gefangen hielten, so sollte es kein Ding geben, das ich nicht machen könnte, nichts so Wunderbares, das nicht aus meinen Händen hervorginge, vorzüglich Käfige und Zahnstocher.«
    Indem rief einer an der Tür, und als man fragte, wer da sei, antwortete Sancho Pansa, daß er es wäre, und kaum hatte dies die Haushälterin gehört, als sie fortging, um sich zu verstecken und ihn nicht zu sehen, einen solchen Abscheu hatte sie vor ihm. Die Nichte machte ihm auf, und sein Herr Don Quixote ging ihm entgegen, um ihn mit offenen Armen zu empfangen. Sie schlossen sich hierauf beide im Zimmer ein und hielten ein anderes Gespräch, welches nicht hinter dem vorigen zurücksteht.

7. Kapitel

    Was dem Don Quixote mit seinem Stallmeister begegnete, nebst anderen höchst denkwürdigen

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