Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
so wenig Euren Namen Lügen strafen, als Euer Name nicht Eure Gestalt beglaubigen sollte; ohne Zweifel seid Ihr, gnädiger Herr, der wahrhaftige Don Quixote von la Mancha, der Leitstern und die Leuchte der irrenden Ritterschaft, dem zum Trotz und Verdruß, der sich Euren Namen angemaßt hat, um Eure Taten zu vernichten, wie es der Verfasser dieses Buches versucht hat, welches ich Euch hier übergebe.« Zugleich gab er ihm ein Buch, welches sein Begleiter in der Hand hatte. Don Quixote nahm es und fing an darin zu blättern, worauf er es bald nachher zurückgab und sagte: »In dem wenigen, was ich gesehen habe, habe ich drei Dinge gefunden, über welche der Verfasser mit Recht getadelt werden kann. Das erste sind einige Worte, die ich im Prologe gelesen habe; das zweite, daß seine Sprache Aragonisch ist, denn er schreibt oft ohne Artikel, und das dritte, was ihn am meisten als Unwissenden zeigt, ist, daß er in den Hauptumständen der Historie irrt und von der Wahrheit abweicht, denn hier sagt er, daß die Frau meines Stallmeisters Sancho Pansa Maria Gutierrez hieße, sie heißt aber nicht so, sondern Therese Pansa, und wer in einem solchen Hauptumstande irrt, von dem mag man auch glauben, daß er in allen übrigen Umständen der Geschichte fehle.«
Hierauf sagte Sancho: »Das mag mir ein sauberer Historienschreiber sein, der muß viel von unseren Sachen gewußt haben, da er meine Frau Therese Pansa Marie Gutierrez nennt; nehmt doch das Buch noch einmal, gnädiger Herr, und seht, ob ich auch drin bin und ob er meinen Namen auch verstümmelt hat.«
»Nach dem, wie ich Euch sprechen höre, Freund«, sagte Don Geronimo, »müßt Ihr ohne Zweifel Sancho Pansa, der Stallmeister des Herrn Don Quixote, sein.«
»Derselbe bin ich«, antwortete Sancho, »und schätze es mir zur Ehre.«
»Nun dann wahrlich«, sagte der Ritter, »dieser neue Verfasser behandelt Euch nicht mit der Artigkeit, die Ihr zu verdienen scheint; er schildert Euch als Fresser, einfältig und durchaus nicht lustig, sehr verschieden von dem Sancho, der in dem ersten Teile der Geschichte Eures Herrn geschildert wird.«
»Gott vergebe es ihm«, sagte Sancho, »er konnte mich in meinem Winkel lassen, ohne sich um mich zu bekümmern, denn wer’s versteht, mag wohl die Zither spielen, und Sankt Peter befindet sich in Rom.«
Die beiden Ritter ersuchten Don Quixote, in ihrem Zimmer mit ihnen zu essen, weil sie wüßten, daß in dieser Schenke nichts zu haben wäre, das für seine Person passend sei. Don Quixote, der immer artig war, gab ihren Bitten nach und speiste mit ihnen, Sancho blieb bei seinem Gerichte in ungeteilter Herrschaft, er setzte sich oben an den Tisch und neben ihn der Wirt, der nicht weniger wie Sancho in seine Füße und Beine verliebt war. Während dem Abendessen fragte Don Juan den Don Quixote, was er für Nachrichten von der Dame Dulcinea von Toboso habe, ob sie geheiratet habe, Kinder geboren oder schwanger sei, oder ob sie sich noch als Jungfrau befinde und ihre Keuschheit und Sittsamkeit bewahrend der liebenden Gefühle des Herrn Don Quixote gedenke.
Worauf dieser antwortete: »Dulcinea ist noch Jungfrau, und meine Gedanken sind beständiger denn jemals, unsere Liebe ist noch in ihrer vorigen Verfassung, ihre Schönheit in die Gestalt einer häßlichen Bäuerin verwandelt.« Und zugleich erzählte er ihnen Stück für Stück die Bezauberung der Dame Dulcinea und was ihm in der Höhle des Montesinos begegnet sei, nebst der Veranstaltung, die der weise Merlin getroffen habe, sie zu entzaubern, daß sich nämlich Sancho geißeln sollte. Die beiden Ritter waren ungemein vergnügt, von Don Quixote die seltsamen Begebenheiten seiner Geschichte erzählen zu hören, und sie waren gleichsehr verwundert über seine Torheiten als über die gefällige Art, mit welcher er sie erzählte. In einem Augenblicke hielten sie ihn für verständig, und plötzlich kam wieder der Narr zum Vorschein, so daß sie nicht einig werden konnten, in welchem Maße er verständig und in welchem er unklug sei.
Sancho hatte seine Abendmahlzeit geendigt, er verließ den Wirt, der etwas angeheitert war, und kam in das Zimmer zu seinem Herrn herüber und sagte beim Eintreten: »Ich will sterben, mein Herr, wenn der Verfasser dieses Buches, welches Ihr habt, Lust hat, mit mir Brüderschaft zu trinken; ich glaube doch wohl nicht, daß, da er mich Fresser nennt, wie Ihr sagt, er mich auch einen Trunkenbold heißen wird.«
»Wohl nennt er Euch so«, sagte Don Geronimo,
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