Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Beine mit ihren Schuhen und Strümpfen ergriff. Er zitterte vor Furcht, lief zu einem anderen Baum und ihm begegnete das nämliche; er schrie laut nach Don Quixote, daß dieser ihm helfen solle. Don Quixote kam und fragte ihn, was ihm begegnet sei, daß er sich so fürchte, worauf Sancho antwortete, daß alle Bäume dort voller menschlicher Füße und Beine hingen. Don Quixote fühlte danach und erriet, was es sein würde, weshalb er zu Sancho sagte: »Es ist nichts, worüber du dich zu fürchten brauchtest, denn diese Füße und Beine, welche du fühlst und nicht siehst, gehören ohne Zweifel einigen Spitzbuben und Straßenräubern, die an diesen Bäumen aufgehängt sind, denn hier pflegt sie die Obrigkeit zu hängen, wenn sie ergriffen werden, zu zwanzig und zu dreißig, woraus ich abnehme, daß wir uns nahe bei Barcelona befinden müssen.« Und so verhielt es sich auch in der Tat. Gegen Sonnenaufgang hoben sie die Augen auf und sahen die Trauben dieser Bäume, welche Körper von Räubern waren.
Indem wurde es Tag, und wenn die Toten sie schon erschreckt hatten, so taten dies vierzig lebendige Räuber noch mehr, welche sie plötzlich umzingelten und ihnen in katalonischer Sprache zuriefen, daß sie sich ruhig verhalten und warten sollten, bis ihr Hauptmann käme. Don Quixote war zu Fuß, sein Pferd unaufgezäumt, seine Lanze an einen Baum gelehnt, er also mit einem Worte ohne alle Verteidigung, und deshalb hielt er es für gut, die Arme unterzuschlagen und den Kopf hängen zu lassen, um sich für eine bessere Zeit und Gelegenheit aufzusparen. Die Räuber gingen hin, um den Grauen zu plündern, auf dem sie nichts von alledem ließen, was sie nur im Schnappsacke und im Felleisen fanden. Es war für Sancho ein Glück, daß sich in einer Geldkatze, die er umgegürtet hatte, die Dukaten des Herzogs sowie diejenigen befanden, die er aus seiner Heimat mitgenommen hatte, aber trotz dessen würden diese wackeren Leute so lange nachgeforscht und untersucht haben, bis sie gefunden, was er zwischen Haut und Fleisch verborgen hätte, wenn nicht in diesem Augenblicke ihr Hauptmann herzugekommen wäre, der ungefähr vierunddreißig Jahre alt, von starkem Körper, mehr als mittlerer Größe, von ernstem Blick und brauner Farbe war. Er ritt auf einem gewaltigen Pferde, mit einem Panzerhemde bekleidet und mit vier großen Pistolen an den Seiten bewaffnet. Er sah, daß seine Knappen (denn so nennen sich diejenigen, die dies Gewerbe treiben) den Sancho Pansa plündern wollten; er befahl ihnen, es zu unterlassen, worauf sie sogleich gehorchten und dadurch die Geldkatze gerettet wurde. Er verwunderte sich, die Lanze zu sehen, die am Baume lehnte, den Schild auf der Erde und Don Quixote gewaffnet und melancholisch, in der traurigsten und kummervollsten Gestalt, welche nur die Traurigkeit selbst jemals zeigen könnte. Er ging zu ihm und sagte: »Seid nicht so traurig, lieber Freund, denn Ihr seid nicht in die Hände eines grausamen Osiris, sondern in die des Roque Guinart gefallen, dessen Natur mehr mitleidig als streng ist.«
»Meine Traurigkeit rührt nicht daher«, antwortete Don Quixote, »daß ich mich in deiner Gewalt befinde, o tapferer Roque, dessen Ruhm auf der ganzen Erde keine Grenzen kennt, sondern daß ich so sorglos gewesen, daß deine Soldaten mich unberitten haben überfallen können, da es meine Pflicht heischt, dem Orden der irrenden Ritterschaft gemäß, zu welchem ich mich bekenne, im ewigen Aufmerken zu leben und zu aller Zeit meine eigene Schildwache zu sein. Denn du mußt wissen, o großer Roque, hätten sie mich zu Pferde angetroffen, mit meiner Lanze und meinem Schilde, so würde es ihnen nicht leicht geworden sein, mich zu überwältigen, denn ich bin Don Quixote von la Mancha, welcher mit seinen Taten den Erdkreis angefüllt hat.«
Roque Guinart sah sogleich ein, daß der Mut des Don Quixote mehr Narrheit als Tapferkeit sei, ob er gleich seinen Namen einigemal gehört hatte, so hatte er doch seine Taten nie für Wahrheit gehalten, auch hatte er sich nie überreden können, daß eine solche Phantasie das Herz eines Menschen beherrschen solle; darum freute er sich außerordentlich, auf ihn gestoßen zu sein, um das in der Nähe zu sehen, was er aus der Ferne gehört hatte. Er sagte also zu ihm: »Tapferer Ritter, betrübt Euch nicht, haltet es auch für kein schlimmes Geschick, in welchem Ihr Euch jetzt befindet, denn es ist möglich, daß sich Euer erzürntes Schicksal in dergleichen Unfällen versöhne; denn
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