Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Herr«, antwortete dieser, »es mag leicht wieder was Neues sein, denn Glücksfälle wie Unglücksfälle kommen selten einzeln.« Und zugleich machte er zum zweiten Male Anstalt, sein Glück zu versuchen, welches ihm so gut ausschlug, daß ohne größeres Geräusch und Aufsehen als das vergangene er sich von der Last befreit sah, die ihm so große Qual verursacht; da aber der Sinn des Geruchs bei Don Quixote nicht weniger reizbar als der des Gehörs war, Sancho ihm auch so nahe und zur Seiten stand, daß fast in gerader Linie die Dünste zu ihm hinaufstiegen, so war es nicht anders möglich, als daß einige davon seine Nasenlöcher erreichten, und kaum hatten sie diese verspürt, als er ihnen auch schon zu Hilfe eilte und sie zwischen die Finger klemmte, worauf er mit einem etwas näselnden Tone sagte: »Es scheint, Sancho, du habest große Furcht.«
»Wohl habe ich sie«, antwortete Sancho; »aber woraus merkt das Euer Gnaden jetzt mehr als sonst?«
»Weil du jetzt stärker als sonst riechst und nicht nach Ambra«, antwortete Don Quixote.
»Das mag wohl sein«, sagte Sancho, »aber ich bin nicht schuld, sondern Euer Gnaden, der mich zur jetzigen Stunde und zu mir so ungewohnten Taten herumzieht.«
»Entferne dich drei oder vier Schritte von hier«, sagte Don Quixote (indem er immer noch die Nase zwischen den Fingern hielt), »und künftighin magst du besser berechnen, wer du seist und was du mir schuldig bist, denn meine große Herablassung gegen dich hat diese deine Geringschätzung erzeugt.«
»Ich wette«, versetzte Sancho, »Euer Gnaden denkt, ich habe mich in Ansehung meiner verrechnet und ein Ding getan, das nicht sein sollte.«
»Noch übler ist es, Freund Sancho, es zu rühren«, antwortete Don Quixote.
Mit diesen und ähnlichen Gesprächen verbrachten Herr und Diener die Nacht; da aber Sancho merkte, daß der Morgen mehr heraufrückte, machte er mit vieler Behendigkeit den Rosinante los und sich die Hosen fest. Sowie Rosinante sich befreit sah, so wenig er sonst ungestümer Natur war, schien er wie neu belebt zu werden, denn er hob die Vorderbeine bis zur Schnauze, weil er (mit seiner Erlaubnis sei’s gesagt) keine andere Courbetten zu machen verstand. Da Don Quixote sah, wie sich Rosinante freiwillig bewege, nahm er dies für ein gutes Zeichen und hielt sich nun für geschickt, das furchtbare Abenteuer zu bestehen. Indem zeigte sich das helle Morgenrot, wobei man die Gegenstände genau unterscheiden konnte, und Don Quixote sah, daß er sich unter einigen hohen Bäumen befand, die Kastanien waren, welche den dichtesten Schatten machen; er hörte aber zugleich, wie das Stampfen fortging, doch sah er nichts, was es verursachen könne, deshalb ließ er ohne längeren Verzug den Rosinante die Sporen fühlen, nahm wieder von Sancho Abschied und befahl ihm, drei Tage und nicht länger sein zu warten, wie er schon einmal getan hatte, und daß, wenn er in dieser Zeit nicht wiederkehre, er versichert sein möge, daß Gott einen Gefallen daran gefunden, seine Tage in diesem gefährlichen Abenteuer zu beendigen. Er wiederholte hierauf ebenfalls den Auftrag und die Gesandtschaft, welche er seinerseits bei der Dame Dulcinea auszurichten habe, daß er sich auch, was den Lohn für seine Dienste anbeträfe, keine Sorgen machen dürfe, denn er habe sein Testament gemacht, ehe er seine Heimat verlassen habe, in dem er ihm so viel vermacht, daß es eine hinlängliche Besoldung für die Zeit seines Dienstes vorstellen könne; führte ihn aber Gott lebendig, gesund und ohne Befährdung aus dieser Gefahr zurück, so könnte er gewisser als jemals die versprochene Insel erwarten. Sancho fing wieder an zu weinen, da er von neuem die sehr traurigen Reden seines trefflichen Herrn vernahm, und entschloß sich, ihn nicht bis zur letzten Vollendung dieses Handels zu verlassen. Diese Tränen und dieser ehrenvolle Entschluß des Sancho Pansa bestätigen den Verfasser dieser Geschichte darin, ihn für den Sohn guter Eltern, oder wenigstens für einen guten Christen zu halten; auch war sein Herr durch diese Gesinnung gerührt; aber nicht so sehr, daß er irgend Schwäche gezeigt hätte, sondern er verstellte sich, so gut er konnte, und richtete sich nun nach der Gegend, aus der das Geräusch des Wassers sowie das Stampfen ertönte. Sancho folgte ihm zu Fuß, am Stricke, wie er immer tat, seinen Esel führend, den treuen Gefährten seiner glücklichen und widerwärtigen Schicksale; nachdem sie so eine ziemliche Strecke zwischen den
Weitere Kostenlose Bücher