Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
Vom Netzwerk:
scheint?«
    »Freilich ist kein Stern da«, sagte Sancho, »aber die Furcht hat so viele Augen, daß sie die Dinge unter der Erde sehen kann, geschweige denn am Himmel, und es läßt sich auch schon aus dem puren Verstande begreifen, daß es nicht mehr weit vom Tage sein kann.«
    »Dem sei wie ihm wolle«, antwortete Don Quixote, »man soll weder jetzt noch jemals von mir sagen können, daß Tränen und Bitten mich abgehalten, das zu tun, was ich meiner Ritterpflicht schuldig bin; also bitte ich dich, Sancho, ruhig zu sein, denn der Gott, der es mir ins Herz gepflanzt, mich in dieses nie gesehene und entsetzliche Abenteuer einzulassen, wird auch für meine Wohlfahrt sorgen und dich in deiner Traurigkeit trösten; was dir jetzt obliegt, ist, dem Rosinante den Sattelgurt festzumachen und dann hier zu warten, denn ich kehre bald lebendig oder tot zurück.«
    Da Sancho sah, wie unerschütterlich der Entschluß seines Herrn sei, wie wenig über ihn seine Tränen, Ratschläge und Bitten vermochten, wollte er die Probe machen, was er durch List ausrichten könne, daß er wohl den Tag erwarten müsse; indem er also dem Pferd den Sattelgurt festzog, band er zugleich sacht und unvermerkt mit dem Stricke seines Esels dem Rosinante beide Beine zusammen, so daß Don Quixote, als er nun fortreiten wollte, es nicht konnte, weil sich das Pferd nicht anders als in Sprüngen bewegte. Als Sancho den guten Erfolg seiner Hinterlist bemerkte, sagte er: »Seht, gnädiger Herr, wie von meinen Tränen und Bitten bewegt, es der Himmel so verordnet, daß sich Rosinante nicht bewegen kann, wollt Ihr nun doch auf Eurem Sinn beharren und ihn spornen und anreizen, so werdet Ihr dadurch das Glück nur böse machen und, wie man sich auszudrücken pflegt, gegen den Stachel lecken.«
    Don Quixote wollte hierüber verzweifeln, denn je mehr er dem Pferde die Sporen gab, je weniger wollte es sich fortbewegen, und ohne auf den Verband zu verfallen, faßte er den Entschluß, ruhig zu bleiben und zu warten, ob es entweder Morgen werden oder Rosinante berühriger werden möchte, weil er gewiß die Schuld jeder anderen Ursache, nur nicht Sanchos Erfindsamkeit beimaß, er sagte also: »Da dem so ist, Sancho, daß Rosinante sich nicht bewegen kann, so muß ich damit zufrieden sein, zu warten, bis mir die Morgenröte lacht, ob ich gleich darüber weine, daß sie ihre Ankunft verzögern wird.«
    »Ihr braucht nicht zu weinen«, antwortete Sancho, »denn ich will Euch Zeitvertreib genug verschaffen und bis zum Tage Geschichten erzählen, wenn Ihr nicht etwa absteigen und auf dem frischen Grase nach irrender Ritter Weise schlafen wollt, damit Euch der Tag noch munterer findet und Ihr um so besser das entsetzliche Abenteuer, worauf Ihr wartet, anfassen könnt.«
    »Was nennst du absteigen oder schlafen?« sagte Don Quixote, »gehöre ich denn etwa zu jenen Rittern, die Ruhe in den Gefahren suchen? Schlaf du, der du zum Schlafen geboren bist, oder tue was du willst; ich werde meinerseits das tun, was meiner Würde am besten zusteht.«
    »Seid nicht böse, mein lieber gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »ich hab’s nicht darum gesagt«; zugleich drängte er sich dicht an ihn, stemmte die eine Hand auf den vorderen Sattelknopf, die andere auf das Hinterteil des Sattels, so daß er den linken Schenkel seines Herrn umarmt hielt, ohne es zu wagen, sich einen Finger breit zu entfernen; solche Furcht flößten ihm die Schläge ein, die unaufhörlich abwechselnd erklangen.
    Don Quixote sagte, er möchte nun zur Unterhaltung eine Geschichte erzählen, wie er es versprochen habe, worauf Sancho erwiderte, daß er es tun wolle, wenn ihn die Furcht vor dem Spektakel dazu kommen ließe; »aber ich will mich dennoch anstrengen, eine Historie vorzutragen, die, wenn mir die Erzählung gelingt und ich Schwarz und Weiß noch unterscheiden kann, gewiß vor allen anderen die schönste Historie ist; nun aber gebt acht, denn ich fange an.«
    »Es war das, was war, das Gute, das uns kommt, sei mit allen, das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht; merkt nämlich, gnädiger Herr, wie die Alten ihre Märlein nicht auf diese Weise anfingen wie wir heutzutage, sondern mit einer Sentenz des weisen Koriander aus Griechenland, welcher sagte: ›das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht‹, welches sich hier paßt wie der Schuh auf den Fuß, damit Euer Gnaden sich ruhig halte und nirgend hingehe, um das Schlimme zu suchen, sondern daß wir lieber einen anderen Weg einschlagen, denn kein Mensch

Weitere Kostenlose Bücher