Don Quixote
den Weg verfolgen laßt, auf den ihn seine Gestirne rufen; denn da er ein so guter Kopf ist, wie er sein muß, und er glücklich die erste Leiter der Wissenschaften, die Sprachen nämlich, erstiegen hat, so mag er durch diese sich zum Gipfel der humanen Künste erheben, die einem reichen und vornehmen Ritter gut anstehen und ihn so zieren, ehren und schmücken, wie die Mitra den Bischof oder der Mantel den erfahrenen Rechtsgelehrten. Dann aber scheltet mit Eurem Sohne, wenn er Satiren schreibt, in denen er die Ehre anderer kränkt, straft ihn darüber, ja zerreißt sie; schreibt er aber Sermonen nach Art des Horatius, in denen er die Laster im allgemeinen tadelt, wie es jener auf elegante Weise getan hat, so lobt ihn, denn es ist dem Poeten erlaubt, gegen den Neid zu schreiben und in seinen Versen schlecht von den Neidischen zu sprechen, ebenso wie von den andern Lastern, wenn er nicht Leute persönlich aufführt; aber es gibt Poeten, die, um nur eine Bosheit niederzuschreiben, sich der Gefahr aussetzen, nach den Inseln des Pontus verbannt zu werden. Ist der Poet in seinen Gesinnungen keusch, so wird er es auch in seinen Versen sein; die Feder ist die Zunge der Seele, welche Ideen sich in dieser erzeugen, dieselben werden auch in seinen Schriften sein. Und wenn Könige und Fürsten die wunderbare Wissenschaft der Poesie an verständigen, tugendhaften und ehrbaren Untertanen wahrnehmen, so schenken sie ihnen Hochachtung und Reichtum, ja krönen sie mit den Blättern jenes Baumes, den kein Blitzstrahl verletzt, gleichsam zur Andeutung, daß diejenigen, deren Schläfen mit dergleichen Kränzen geehrt und geschmückt sind, von niemandem verletzt werden dürfen.«
Der vom grünen Mantel war durch diese Rede Don Quixotes in Verwunderung gesetzt, und zwar so sehr, daß er die Meinung, auf die er anfangs gefallen, jener sei unklug, gänzlich aufgab. Sancho hatte sich in der Mitte dieses Gesprächs, das nicht sonderlich nach seinem Geschmacke war, vom Wege entfernt, um sich von einigen Hirten etwas Milch geben zu lassen, die dort in der Nähe ihre Schafe melkten. Der Edelmann fing indes ein neues Gespräch mit Don Quixote an, dessen Verstand und Art, sich auszudrücken, ihm überaus gefiel, als Don Quixote den Kopf erhob und gewahr ward, daß ihnen auf ihrem Wege ein Karren entgegenkam, mit vielen königlichen Fahnen besteckt; und da er glaubte, daß dieses ein neues Abenteuer sein müsse, rief er den Sancho mit lauter Stimme, daß er kommen und ihm den Helm geben solle. Als Sancho sich so rufen hörte, verließ er die Schäfer, spornte in aller Hast den Grauen und kam zu seinem Herrn, dem hierauf ein furchtbares und unsinniges Abenteuer begegnete.
10. [17.] KAPITEL
Allwo sich der höchste Punkt und äußerste Grad deutlich
zeigt, zu welchem der unerhörte Mut des Don Quixote
steigen konnte und wirklich stieg, nebst dem glücklich
beendigten Abenteuer mit den Löwen
Die Historie erzählt, daß, als Don Quixote nach Sancho rief, ihm den Helm zu geben, dieser eben einige Quarkkäse einkaufte, die ihm die Hirten abließen; und da ihn die große Eile seines Herrn ängstete und er nicht wußte, was er mit ihnen machen oder wo er sie lassen sollte, besann er sich endlich darauf, um sie nicht zu verlieren, weil er sie schon bezahlt hatte, sie in den Helm seines Herrn zu tun, und mit dieser guten Auskunft ritt er zu ihm, um zu fragen, was er haben wolle. Worauf jener sogleich sagte: »Gib mir, Freund, den Helm; denn ich verstehe wenig von Abenteuern, oder jenes, welches sich dort zeigt, ist eins, welches mich nötigen wird und nötiget, die Rüstung anzulegen.«
Der vom grünen Mantel, der dies hörte, sah sich nach allen
Seiten um und konnte nichts anderes entdecken als einen Karren, der ihnen entgegenkam, mit zwei oder drei kleinen Fahnen, welche anzeigten, daß auf diesem Karren Geld für den König sei. Dies sagte er auch Don Quixote, der ihm aber keinen Glauben beimaß, sondern immer glaubte und dachte, daß alles, was ihm begegnete, Abenteuer und wieder Abenteuer sein müßten; deshalb antwortete er dem Edelmann: »Vorbedacht ist besser als nachgeklagt. Ich werde dadurch nichts verlieren, wenn ich mich vorsehe; denn ich weiß es aus Erfahrung, daß ich sichtbare und unsichtbare Feinde habe, von denen ich nicht weiß, wann noch wo, noch zu welcher Zeit, noch in welcher Gestalt sie mich angreifen werden.« Er wandte sich hierauf zu Sancho und forderte den Helm, und da dieser nicht Zeit hatte, seine Käse wieder
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