Don Quixote
Miguel de Cervantes Saavedra
Leben und Taten
des scharfsinnigen Edlen
Don Quixote
von la Mancha
Übersetzt von Ludwig Tieck
Mit den Illustrationen von Gustave Doré
Jubiläumsausgabe München 2005
Titel der Originalausgabe:
El ingenioso hidalgo
Don Quixote de la Mancha
(Madrid 11605)
Segunda parte del ingenioso cavallero
Don Quixote de la Mancha
(Madrid 116115)
Die Illustrationen von Gustave Doré erschienen erstmals 11868/69 in Paris
Der Text der Übersetzung folgt der letzten
zu Tiecks Lebzeiten erschienenen Ausgabe,
der dritten verbesserten Auflage von 11852/53
Textredaktion: Günter Jürgensmeier
Titelbild:
Honoré Daumier, Don Quichotte, 11868
Scans:
Günter Jürgensmeier
(ganzseitige Abbildungen),
David Widger
Bildbearbeitung, Layout und Satz: Günter Jürgensmeier
Erster Teil
[1605]
DEM
HER ZO GE VON BEJAR,
MARQUES VON GIBRALEON,
GRAFEN VON BENALCAZAR, BAÑARES UND ALCO CER ,
HERRN
DER STÄDTE CAPILLA, CURIEL UND BURGUILLOS
Im Vertrauen auf die gute Aufnahme und Achtung, die Ew. Exzellenz allen Produkten der Literatur erweist, als ein Fürst, der geneigt ist, die schönen Künste zu begünstigen, vorzüglich diejenigen, die durch ihren Adel sich nicht zum Dienste und zur Gewinnsucht des Pöbels herablassen, bin ich entschlossen, den sinnreichen Edlen Don Quixote von la Mancha an das Licht treten zu lassen, unter dem Schirme von Ew. Exzellenz ruhmvollen Namen, der ich mit der Ehrfurcht, die ich Ihrer Größe schuldig bin, bitte, ihn wohlwollend in Ihren Schutz aufzunehmen, damit er unter dieser Bedeckung, wenn ihm gleich die schöne Zier der Eleganz und Gelehrsamkeit mangelt, die gewöhnlich die Werke zu bekleiden pflegt, die in den Häusern gelehrter Männer geschrieben werden, dennoch dreist vor den Richtstuhl einiger zu erscheinen wage, die, nicht in den Schranken ihrer Unwissenheit zurückgehalten, mit vieler Strenge und weniger Gerechtigkeit fremde Arbeiten zu verdammen pflegen; denn wenn Ew. Exzellenz Ihre helle Einsicht auf meine gute Absicht richten, so werden Sie, wie ich hoffe, die Geringfügigkeit eines so unbedeutenden Dienstes nicht verschmähen.
Miguel de Cervantes Saavedra
PROLO G
Müßiger Leser! – Ohne Schwur magst du mir glauben, daß ich wünsche, dieses Buch, das Kind meines Geistes, wäre das schönste, lieblichste und verständigste, das man sich nur vorstellen kann. Ich habe aber unmöglich dem Naturgesetz zuwiderhandeln können, daß jedes Wesen sein Ähnliches hervorbringt; was konnte also mein unfruchtbarer, ungebildeter Verstand anders erzeugen als die Geschichte eines dürren, welken und grillenhaften Sohnes, der mit allerhand Gedanken umgeht, die vorher noch niemand beigefallen sind, geradeso wie einer, der in einem Gefängnisse erzeugt ward, wo jede Unbequemlichkeit zu Hause ist und jedes traurige Geräusch seine Wohnung hat? Die Stille, ein angenehmer Aufenthalt, die Lieblichkeit der Gefilde, die Heiterkeit des Himmels, das Gemurmel der Quellen, die Ruhe des Geistes verursachen es großenteils, daß sich auch die unfruchtbarste Muse fruchtbar zeigt und Geburten ans Licht bringt, durch welche sie Erstaunen und Freude erregt. Manchmal hat ein Vater einen häßlichen, unliebenswürdigen Sohn, aber die Liebe, die er zu ihm trägt, knüpft ihm eine Binde um die Augen, so daß er seine Fehler nicht sieht oder sie wohl für Annehmlichkeit und geistreiche Züge hält und sie seinen Freunden für Witz und Lieblichkeiten anrechnet. Ich aber, der, wenn ich auch der Vater scheine, nur der Stiefvater des Don Quixote bin, will nicht dem Strome der Sitte folgen, dich nicht, geliebter Leser, wie andere wohl tun, fast mit Tränen in den Augen bitten, daß du die Fehler, die du an diesem Kinde wahrnimmst, vergeben und übersehen mögest; und da du ja weder sein Verwandter noch sein Freund bist und deine Seele für dich und den herrlichsten freien Willen hast, du auch in deinem Hause bist, wo du so unumschränkt herrschest wie der König in seinen Domänen, du auch das gewöhnliche Sprichwort kennst: Unter meinem Mantel trotz ich dem Könige! – welches alles dich von jeder Rücksicht und Verpflichtung freispricht –, so darfst du von dieser Geschichte alles sagen, was dir gut dünkt, ohne Furcht, daß man dich für das Böse schelten noch für das Gute, welches du von ihr sagst, belohnen wird.
Nur wollte ich sie dir nackt und bloß überreichen, ohne den Schmuck eines Prologs, ohne die unzählige Schar der herkömmlichen Sonette, Epigramme und
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