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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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eine Karte zuviel als zuwenig verlieren soll, denn in den Ohren klingt es schöner, wenn man die Leute so sprechen hört: ›Der Ritter ist tollkühn und verwegen‹, als: ›Der Ritter ist furchtsam und feig.‹«
    »Ich sage, Herr Don Quixote«, antwortete Don Diego, »daß alles, was Ihr sagt und tut, genau von dem Wagezünglein der Vernunft selbst abgemessen wird, und ich glaube, daß, wenn die Ordnungen und Gesetze der irrenden Ritterschaft verlorengingen, sie sich in Eurer Brust, als ihrer Niederlage und ihrem Archive, wiederfänden. Aber wir wollen eilen, denn es ist schon spät, damit wir meine Heimat und meine Wohnung erreichen, wo Ihr von Eurer überstandenen Beschwer ausruhen mögt; denn wenn auch nicht Euer Körper, so hat doch Euer Geist gearbeitet, und das pflegt oft die Ermattung des Körpers nach sich zu ziehen.«
    »Ich nehme Euer Anerbieten mit dem größten Danke an, Herr Don Diego«, antwortete Don Quixote; worauf sie ihre Pferde mehr als vorher anspornten und etwa um zwei Uhr nachmittags in den Ort und die Wohnung des Don Diego ankamen, welchen Don Quixote nannte: den Ritter vom grünen Mantel.

    I X . B U C H

    1. [18.] KAPITEL
Was dem Don Quixote in dem Kastell oder Hause des
Ritters vom grünen Mantel begegnete, nebst andern
ausschweifenden Dingen

    Don Quixote fand, daß das Haus des Don Diego de Miranda von der Geräumigkeit eines Landhauses war; in Steinarbeit sah man über der Tür der Landstraße das Wappen auf eine grobe Art ausgehauen; im Hofe befand sich das Speisegewölbe, der Keller unter dem Eingange, und rund umher standen viele irdene Krüge, die aus Toboso waren und ihm daher das Andenken seiner bezauberten und verwandelten Dulcinea erneuerten; seufzend und ohne zu bedenken, was er sagte, noch wer zugegen sei, rief er aus:

    »O süße Pfänder, mir zum Schmerz gefunden, Wohl süß und froh, wenn es ein Gott so wollte!

    O Ihr tobosinischen Krüge, die Ihr in meinem Gedächtnis das süße Pfand meiner herbsten Bitterkeit zurückruft!«
    Diese Worte hörte der Student und Poet, der Sohn des Don Diego, der ihnen mit seiner Mutter entgegengegangen war, und Mutter und Sohn standen verwundert, die seltsame Figur des Don Quixote vor sich zu sehen, der vom Rozinante stieg, mit vieler Zierlichkeit die Hand der Dame ergriff und sie küßte, indem Don Diego sagte: »Empfanget, werte Frau, mit Eurer gewöhnlichen Artigkeit den Herrn Don Quixote von la Mancha, denn der ist es, den Ihr vor Euch seht; ein irrender Ritter, und zwar der tapferste und verständigste, den je die Welt nur besitzt.«
    Die Dame, welche Doña Christina hieß, empfing ihn sehr freundlich und höflich, und Don Quixote zeigte sich mit einem Überfluß von verständigen und artigen Redensarten. Fast die nämlichen Höflichkeiten fielen hierauf mit dem Studenten vor, den Don Quixote für verständig und geistreich erklärte, nachdem er ihn hatte sprechen hören.
    Hier schildert der Verfasser nun sehr weitläuftig die Einrichtung im Hause des Don Diego; er schildert uns alles, was man gewöhnlich in dem Hause eines reichen Landedelmanns zu finden pflegt; der Übersetzer dieser Historie hat aber lieber diese wie andere dem ähnliche Sachen mit Stillschweigen übergehen wollen, weil sie nicht sonderlich mit dem Hauptzwecke der Historie übereinstimmen, als welcher mehr auf die Wahrheit als auf frostige Digressionen gerichtet ist. Man führte Don Quixote in einen Saal, Sancho entwaffnete ihn, und er blieb in Beinkleidern und Wams von Gemsleder, beide an allen Orten von dem Kolorit der Rüstung beschmutzt ; sein Kragen war auf wallonische Art, wie ihn die Studenten tragen, ungesteift und ohne Spitzen; die Halbstiefeln braun und die Schuhe gewichst. Er gürtete sein gutes Schwert um, welches in einem Bandelier von Seehund hing; denn man meinte, daß er schon seit vielen Jahren an den Nieren litt. Außerdem bedeckte er sich mit einem Mantel von gutem grauen Tuche; vor allen Dingen aber brauchte er fünf oder sechs Kannen Wasser – denn in der Menge der Kannen findet sich hier eine verschiedene Lesart –, womit er sich den Kopf und das Angesicht wusch und alles dieses Wasser wie Molken färbte; dank sei es der Gefräßigkeit des Sancho und dem Ankaufe seiner verwünschten Käse, mit welchen er seinem Herrn zugleich so viel weisgemacht hatte. In dem vorerwähnten Schmucke und mit schönem und freiem Anstande begab sich Don Quixote nach einem andern Saale, wo der Student ihn schon erwartete, um sich mit ihm in der Zwischenzeit zu

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