Das Mond-Monster
Er lag noch auf dem Bett.
Seit Stunden hatte er diese starre Rückenhaltung eingenommen. Es war für ihn die beste Art, sich zu konzentrieren und auf das Kommende vorzubereiten. Er schaute immer gegen die Decke, die sehr interessant zu sein schien. Aber es malten sich dort keine Bilder ab. Sie sah so grau und unauffällig aus wie immer. Doch sie wurde auch dunkler, je weniger Licht durch die beiden Fenster des Zimmers sickerte. Und die Dunkelheit war für ihn wichtig.
Mike Derek wusste, dass er ein Außenseiter war. Personen wie ihm ging man am besten aus dem Weg. Man ignorierte sie. Man schaute an ihnen vorbei. Da zogen Mütter und Väter ihre Kinder zur Seite, wenn sie ihn sahen, und daran hatte sich Mike längst gewöhnt. Er tat auch nichts, um dem abzuhelfen. Wenn er sich schon so gab und auch so aussah, dann wollte er dieses Aussehen pflegen.
Es brachte auch nichts, wenn er versuchte, sich anderen gegenüber zu erklären. Sie hätten ihn nur ausgelacht oder abgewunken, und so war und blieb er allein. Er lebte in einer gewissen Einsamkeit, in der er nur wenig Kontakt mit anderen Menschen bekam und seinen Neigungen nachgehen konnte.
Er besaß, was er zum Leben brauchte. Sogar Geld aus dem Erbe seiner Eltern, deren Existenz im Dunkeln lag. Er konnte sich seltsamerweise kaum an sie erinnern, doch das war ihm egal. Er musste allein durchkommen und letztendlich seine Aufgabe erfüllen, die er sich gestellt hatte. Wenn die Menschen wüssten, was dies war, dann hätten sie ihn womöglich mit anderen Augen betrachtet. Zumindest einige von ihnen. So aber war er für den größten Teil der Welt verloren.
Mike genoss es, wenn sich der Tag allmählich dem Ende zuneigte, die Dämmerung herankroch und so etwas wie ein Vorbote der Nacht war. In dieser Zeit waren all diejenigen unterwegs, die das Tageslicht nicht eben erhebend fanden. Zu ihnen gehörten viele normale Menschen. Die Fun-Leute, die abtanzten, die Kneipengänger und auch das lichtscheue Gesindel, das im Schutze der Dunkelheit seine Taten beging.
Mike zählte sich zu keiner dieser Gruppen. Er war der berühmte Einzelgänger, der trotzdem eine große Aufgabe übernommen hatte und diese auch zu Ende führen wollte. Erst wenn er das geschafft hatte, konnte er wieder aufatmen und sich selbst als der große Held fühlen. Aber gut Ding braucht Weile und Mike hatte es bisher nicht geschafft, sein Problem zu lösen, das eigentlich mehr das Problem anderer Menschen war, weil es die in Angst und Schrecken versetzte. Er aber wollte das Problem lösen. Da spürte er die innere Verpflichtung.
Er wusste auch nicht, ob es das Gefühl der Angst war, das ihn überkommen hatte. Es konnte auch eine gewisse Spannung sein, die ihn übermannte, weil die Zeit wieder einmal reif war.
Auch für ihn.
Er stand auf.
Mike war groß. Er reichte fast an die zwei Meter heran, als er sich vor dem Bett aufrichtete. In die dunklen Schuhe brauchte er nicht erst zu schlüpfen, die hatte er angelassen, als er auf dem Bett gelegen hatte. Ebenso die dunkle Kleidung. Ein dünner Pullover, eine schwarze Hose aus Leder, die seine Beine und Hüften sehr eng umschloss. Mit diesem Outfit war er in der Dunkelheit kaum auszumachen.
Seine Haare hatte er recht lang wachsen lassen, sodass sie ihm über die Ohren fielen. Sie waren etwas heller als seine Kleidung, konnten aber auch als dunkel bezeichnet werden.
Mit zwei Schritten hatte er den Lichtschalter erreicht. Er kickte ihn, es wurde heller im Raum, aber von einem normalen Licht konnte man nicht sprechen. Was sich da zwischen den Wänden verteilte, war mehr eine graue Suppe oder eine Mischung aus Hell und Dunkel, allerdings noch so prägnant, dass die Möbel zu erkennen waren.
Wenig an der Zahl. Das Bett, der Schrank, eine kleine Kommode, ein Spiegel an der Wand. Das war alles und mehr brauchte Mike Derek auch nicht. Er drehte sich und ging auf eines der beiden Fenster zu. Da er ziemlich hoch wohnte, besaß er einen fantastischen Blick über die Umgebung hinweg bis hin zum Meer. Es war auch kein normales Haus, das er sich vom Erbteil der Eltern zugelegt hatte. Es war ihm gelungen, einen kleinen Turm zu kaufen, der zudem noch auf einer Klippe stand. Vielleicht hatte hier mal ein Leuchtturm gebaut werden sollen. Es war nicht geschehen. Die Kappe fehlte, die Installationen auch und Derek hatte die Chance genutzt und das halb fertige Bauwerk gekauft, das seinen Anforderungen voll und ganz genügte.
Ja, der Himmel war schon stark eingedunkelt. Mike Derek
Weitere Kostenlose Bücher