Mit 14 glaubt man an die Freundschaft
Papi ist ja gar nicht
so
„Kinder
sind nie so, wie man sie sich gewünscht hat“, sagte Papi leicht gequält und
lenkte den Wagen aus der Parklücke auf die Straße.
„Wieso - wie meinst du das?“
Katja versuchte, sich nicht anmerken zu
lassen, daß sie sich ein bißchen gekränkt fühlte.
Die Ampel sprang auf Rot, und Papi
schaltete zurück auf den zweiten Gang. Das Getriebe gab ein schauerliches
Geräusch von sich.
„Das war der erste“, sagte Papi
entschuldigend. “Ich werde mich nie daran gewöhnen, daß bei diesem Karren der
erste Gang unten liegt. So ein Blödsinn!“
Er trat im Leerlauf ein paarmal kräftig aufs Gaspedal und ließ den Motor aufheulen,
als wolle er ihm zeigen, wer hier der Herr sei.
„Sei nicht so ungeduldig. Schließlich
hast du ihn erst einen Tag. Ich finde ihn sehr schön - für sein Alter“,
versuchte Katja Papi zu beruhigen. “Sag mir lieber: Wie hast du dir deine
Kinder denn gewünscht? Man sollte meinen, bei zwei Töchtern und zwei Söhnen
wäre wenigstens einer nach deinem Geschmack!“
Papi starrte gedankenverloren auf die
Ampel.
„Ach, wie soll ich das erklären.“ Er
sah Katja verschmitzt von der Seite an. “Wahrscheinlich wünscht sich jeder
Vater, daß seine Kinder verzückt an seinen Lippen hängen, wenn er über seinen
Beruf oder seine Lebenserfahrungen spricht.“
„Oder über seine Hobbys.“
„Auch das.“
Die Ampel sprang auf Rot-Gelb, dann auf
Grün.
Papis Blick war verträumt in den Himmel
gerichtet, der ein porzellanzartes Frühlingsblau zeigte.
„Grüner wird’s nicht!“ mahnte Katja.
Papi legte hastig den Gang ein,
erinnerte sich aber zum Glück rechtzeitig daran, daß er den Rückwärtsgang
erwischt hatte und korrigierte seinen Fehler. Der Wagen machte einen Satz nach
vorn, als hätte er eine mittlere Hürde genommen.
„Du bist schon mal besser gefahren“,
sagte Katja stirnrunzelnd .
Links neben ihnen erschien ein blauer
Mercedes, der Fahrer sah kopfschüttelnd auf Papi und tippte sich an die Stirn.
Da Papi nur entschuldigend lächelte, erwiderte Katja für ihn den
Autofahrergruß. Der Mercedesfahrer brauste wütend davon.
„Setz mich da vorne an der Ecke ab, ich
laufe das letzte Stück. Dann habe ich wenigstens noch was von dem schönen
Frühlingswetter.“
Papi lenkte den Wagen an den Bordstein
und hielt. Dann sah er Katja prüfend an.
„Du siehst ziemlich käsig aus, meine
Große. Kommst du denn überhaupt noch an die frische Luft - bei der vielen Trainiererei neben Schule und Hausaufgaben? Ich finde, du
übertreibst es ein bißchen.“
„Ach wo. Es macht mir ganz einfach
Spaß!“
„Wenn das Wetter so schön bleibt,
sollten wir vielleicht mal eine richtige Wanderung machen...“
„Mit der ganzen Familie? Celia, die
schon nach zehn Schritten mault, es sei ihr zu langweilig? Und die Zwillinge,
die allenfalls spazierenstehen - statt spazierenzugehen ! Besten Dank, da verzichte ich lieber.“
„Nein, ich dachte an uns beide -
vielleicht mit deiner Freundin Petra?“
Katja schaute Papi überrascht an.
„Ist das dein Ernst? Der Vorschlag läßt
sich natürlich hören, manchmal hast du richtig gute Ideen, mein Oller!“ sagte
sie übermütig. “Gleich an diesem Wochenende?“
„Das dachte ich.“
„Klasse! Jetzt muß ich mich aber
beeilen. Tschüß! Und danke schön fürs Mitnehmen!“ Katja gab ihrem Vater einen
zärtlichen Kuß, der in der Eile irgendwo zwischen Ohr und Kragen landete, und
sprang aus dem Auto.
„Der erste Gang ist links unten!“ rief
sie durchs Fenster und winkte ihm noch einmal nach. Dann schlenderte sie die
Seitenstraße hinunter, an deren Ende die Ballettschule Künzel lag.
Auf dem Weg fiel ihr Papis Bemerkung wieder ein.
Natürlich wußte Katja, daß Papi nicht
hatte sagen wollen, seine Kinder gefielen ihm nicht. Er war enttäuscht und
ärgerlich gewesen, weil sie sich in dem Briefmarkenladen so schlecht benommen
hatte. Während er begeistert versucht hatte, ihr die Stücke, die ihm der
Händler vorlegte, zu erklären und sie dafür zu interessieren, hatte sie mit dem
üblichen mürrischen Gesicht daneben gestanden, ungeduldig mit den Fingern auf
die Theke getrommelt und leise gestöhnt, wenn Papi sich wieder und wieder neue
Briefmarken zeigen ließ. So lange, bis er richtig sauer war.
Warum bloß? Warum hatte sie ihm nicht
die Freude gemacht zuzuhören? Sie hatte doch noch reichlich Zeit, bis das
Ballett-Training begann. Warum trieb es sie immer wieder, ihre Umgebung
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