Donner unter der Kimm
Kanonen wieder entfernen zu dürfen, denn ihr Rückstoß hatte mehr Schaden angerichtet als der Feind.
»Ich würde gern mit dir an Land gehen, Onkel.«
Bolitho legte Adam die Hand auf die Schulter. »Das hat Zeit. Du wirst gebraucht, und ich freue mich für dich.« Er sah zu dem rastlosen Wimpel am Masttopp auf. »Dein Vater wäre stolz auf dich gewesen.«
Damit ging er zur Bordwand, wo der Erste Offizier mit der Ehrenwache wartete.
In der Gig beobachtete Allday Bolitho schweigend, als dieser sich umdrehte und seinem Neffen zuwinkte. Die Brigg holte schon den Anker kurzstag und würde auslaufen, sobald die Gig zurückgekehrt war. Allday dachte an seinen Sohn, der schon unterwegs war zu Bolithos Haus. Würde er jemals wieder zur See fahren? Überraschenderweise war ihm diese Entscheidung inzwischen nicht mehr wichtig.
Mein Sohn:
schon der Gedanke machte ihn glücklich und dankbar. Er hatte ihm das Leben gerettet und wäre für ihn gestorben, wenn Midshipman Sheaffe nicht geschossen hätte.
Er musterte Bolithos ausdrucksloses Gesicht. Der Admiral machte sich Sorgen wegen seiner Augen. Immerhin würde Lady Belinda im Haus auf ihn warten. Vielleicht entschädigte ihn das?
Sie stiegen auf die warmen Ufersteine. Bolitho verabschiedete sich vom Bootsführer und drückte ihm zwei Guineen in die Hand. Der Mann bedankte sich überschwenglich. »Da trinken wir aber einen auf Sie, Sir!«
Bolitho ging auf die Stadt zu, bemüht, nicht zu zwinkern oder das Gleichgewicht zu verlieren wie an dem Tag, als er Jobert zum letzten Mal gegenübergestanden hatte. Hinter sich hörte er Alldays schweren Schritt; es waren nur wenige Menschen unterwegs. Die meisten arbeiteten auf den Feldern oder fischten. Falmouth lebte von der Erde und vom Meer.
Eine erschöpfte Frau ging mit einem Gemüsekorb am Arm auf eine Hintergasse zu. Als sie Bolitho sah, blieb sie stehen und machte einen ungelenken Knicks.
»Ein schöner Morgen, Mrs. Noonan«, rief Bolitho.
Verblüfft sah sie ihnen nach, bis sie um die Ecke verschwunden waren.
Arme Frau, dachte Bolitho. Er hatte ihren Mann auf seiner
Lysander
fallen gesehen; das schien ihm tausend Jahre her zu sein.
Lange Schatten lagen schon über dem Platz. Bolitho schaute auf zum Turm der Kirche, in der er zweimal getraut worden war. Dann trat er unsicher in das kühle Dämmerlicht des Gotteshauses. Es war leer und doch so voller Erinnerungen und Hoffnungen. Er blieb stehen, betrachtete das Buntglasfenster hinter dem Altar und entsann sich jenes ersten Males, als er die Sonne durch diese Tür gesehen hatte.
Sein Herz schlug so heftig, daß er glaubte, Allday müsse es hören können.
Er mußte nach Hause, seine Gefühle erkunden, Belinda eine Erklärung geben und lernen, seine Fehler wieder gutzumachen. Statt dessen trat er vor die Wand mit den Gedenktafeln der Familie Bolitho.
Er hob die Hand und berührte eine Tafel, die in einiger Entfernung von denen der Männer angebracht war:
Cheney Bolitho.
Hier waren sie getraut worden. Leise sagte er ihren Namen. Dann machte er kehrt und ging zurück zu Allday.
»Nach Hause, Sir Richard?« fragte Allday.
Bolitho zögerte und blickte sich noch einmal nach der kleinen Tafel um.
»Aye, alter Freund. Das wird es immer bleiben.«
Weitere Kostenlose Bücher