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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curd Siodmak
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seine Reue schon begonnen hatte!
    Nun mußte er sein Verbrechen schwarz auf weiß registrieren, einen Schein ausstellen, der ihn zu jeder Zeit ins Gefängnis bringen konnte. Das Gefängnis fürchtete er nicht so sehr – aber er hatte den letzten Faden Selbstachtung verloren.
    »Es tut mir leid. Ich könnte es ja selbst schreiben, aber ich habe keine Amtsbefugnis dazu. Außerdem war es ja Ihre Aufgabe, sich der Opfer des Absturzes anzunehmen.«
    »So, so, jetzt werde ich erpreßt«, sagte er mit einem düsteren Lächeln, und ich verstand, was er meinte. Er war jetzt gefährlich. Er war imstande, uns beide in einem Anfall seiner pathologischen Depressionen ans Messer zu liefern.
    »Möchten Sie etwas zu trinken?« fragte ich.
    Er sah erstaunt auf, las meine Gedanken und schüttelte den Kopf.
    »Sie brauchen mich nicht betrunken zu machen, damit ich den Schein ausstelle«, murmelte er und ging hinüber zum Schreibtisch. »Wie ist der Name des Toten?«
    Als ich ihn nannte, wurde er blaß. »W. H. Donovan«, wiederholte er und setzte sich zitternd nieder. Ich wartete, bis er sich faßte. »Wir haben also Donovans Hirn gestohlen!«
    Plötzlich lachte er auf, wandte sich zum Schreibtisch, nahm eine Feder und zog ein Blankoformular für den Bericht an die Polizei aus der Tasche. »Ich lasse den Namen lieber offen«, sagte er, »und ich hoffe nur, die Hitze zerstört die Leiche schnell, ehe jeder Arzt im ganzen Lande herkommt und seine Nase da hineinsteckt.«
    Er schrieb und reichte mir das Papier.
    »Todesursache: Starke Blutung und Schock, der Amputation beider Beine vorangehend«, las ich.
    »Sie können selbst sehen, daß es wahr ist, was ich geschrieben habe.«
    Er sprach großtuerisch, um seine Unsicherheit zu verbergen, und ging hinüber zur Tür. »Ich werde veranlassen, daß er von Phoenix aus abgeholt wird.«
    Dann setzte er seinen großen Hut auf und ging hinaus, ohne mich anzusehen oder mir Adieu zu sagen. Er war wieder einmal mit mir fertig. Draußen hielt er einen Augenblick an, um mit Janice zu sprechen. Sie haben eine merkwürdige kleine Verschwörung, und ich habe mir nie die Mühe genommen, mich einzumischen; auch jetzt interessierte es mich nicht, was sie miteinander zu reden hatten, aber ich ging doch in mein Schlafzimmer und rief nach ihr.
    Janice kam sofort herein.
    »Du müßtest etwas schlafen.« Sie machte diesen Vorschlag sehr unsicher. Zum erstenmal seit Jahren sagte sie mir, was ich tun sollte. Sie pochte zögernd an die Tür meines Bewußtseins, mit dem schüchternen Versuch, sich in Erinnerung zu bringen.
    »Die Ambulanz aus Phoenix wird die Leiche abholen«, sagte ich. »Und wenn irgend jemand kommt, störe mich nicht – wer es auch sei.« Ich sank auf das Bett. Ich brauchte wirklich Schlaf.
    Schon während ich mich zur Wand drehte, fühlte ich, wie der Schlaf meine Gedanken auslöschte.
     

Achtzehnter September
     
    Ich erwachte in früher Morgenstunde. Neben dem Bett stand etwas Essen. Janice hatte es in einen Thermosbehälter getan, um es warmzuhalten. Ich aß hastig und ging zurück ins Laboratorium. Ich hörte Janice in ihrem Zimmer herumgehen, aber sie blieb dort.
    Durch das Gartenfenster sah ich, daß die Leiche abgeholt worden war. Auf meinem Tisch lagen die Abendzeitung und eine Nachricht. Das Krankenhaus in Phoenix hatte angerufen, ich sollte hinüberkommen und der Polizei Bericht erstatten. Da Schratt in diesem Falle der Arzt war, warf ich den Zettel in den Papierkorb.
    Der Phoenix Herald brachte in Schlagzeilen die Überschrift:
     
    Ein Gigant tot.
    W. H. Donovan im Flugzeug umgekommen.
    Absturz in den Schlangen-Bergen.
     
    Ich legte die Zeitung in eine Schublade meines Schreibtisches und wandte mich Donovans Hirn zu.
    Die Pumpe hatte die Hauptarterie getreulich mit Blut versorgt, und das ultraviolette Licht schien durch die Glasröhren, in denen das Serum zirkulierte.
    Ich rollte den Tisch mit dem Enzephalographen dicht an den Glasbehälter, in dem das Hirn war, und befestigte die fünf Elektroden an dem Rindengewebe. Eine beim rechten Ohr, zwei hoch an der Stirn, eine über jeder Augenhöhle.
    Das Hirn jeder lebenden Kreatur hat einen elektrischen Schlag, der durch Neuronen geleitet wird, nicht durch Blutgefäße oder die verbindenden Gewebe. Alle Zellen zeigen verschiedenartige Grade von mechanischer, thermaler, elektrischer und chemischer Aktivität.
    Ich schaltete den Strom für den kleinen Motor an, der pro Sekunde einen Zoll weißen Papierstreifens herauszog – bei

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