DoppelherzTOD
diesem Job.«
Es war ja nicht sein Traumjob, aber aus reinem Protest musste Kain widersprechen. »Vor drei Wochen ist mir noch alles über die Finger gelaufen. Schau jetzt mal.« Und er zeigte Ehrlicher seine trockenen Finger.
»Mein Gott, willst du nicht reden, oder kannst du es nicht?«
»Ich tu meinen Job und jage keinen Phantommördern hinterher.« Kain wischte die Theke vor seinem Gast, schob ihm das Glas in die Hand. Ehrlicher setzte an, und Kain füllte bereits das nächste.
»Ich habe dem Frieder nicht geglaubt. Seine letzten Worte hab ich noch im Ohr. Das war Gift. Bruno, die bringen mich um! Und ich habe das alles als Scherz abgetan. Da ist wirklich was faul. Frieder hatte recht.«
Kain bemerkte, dass Ehrlicher den alten Kollegen ausschließlich beim Vornamen nannte. Er sprach jetzt ganz anders über Hosfeld. Antipathie und Vorurteile schienen verschwunden.
»Ist der Hosfeld wirklich gestorben?«
»Ja, sagte ich doch, Frieder ist tot. Ich habe zwar noch die Rettung gerufen, und die haben ihn an die Apparate geklemmt. Aber da war es vorbei. Ich habe Jahrzehnte auf Leichen geschaut. Mir macht man nichts vor.«
Kain fehlten die Worte. Vor kaum einer Woche, da hatten sie am Tisch dort drüben noch gelacht, und Hosfeld hatte eine Anekdote nach der anderen erzählt. »Es kann schnell vorbei sein…« Trauer empfand Kain keine, er kannte Hosfeld ja kaum. »Aber du kannst doch das Buch auch alleine schreiben.«
»Buch! Es geht doch nicht um das verdammte Geschreibsel! Frieder Hosfeld wurde ermordet! Und ich habe seine Theorie nicht geglaubt.«
»Was denn für eine Theorie? Ich denke, ihr wolltet alte Kriminalfälle erzählen?«
»Frieder wurde umgebracht. Umgebracht! Verstehst du? Hosfeld war auf einer ganz heißen Spur. Er hat nicht an den Doppelselbstmord seiner Nachbarn geglaubt. Nun ist er selbst tot. Das ist doch kein Zufall!«
Kain konnte Ehrlicher nicht folgen. »Du sprichst in Rätseln.« Er wollte das Gespräch auf andere Themen lenken. Wahrscheinlich kam Ehrlicher mit dem Rentnerdasein nicht klar und trauerte seinem Berufsleben nach. Kain tat es auch in schwachen Minuten. In anderen fand er seine Entscheidung goldrichtig und durch nichts aufzuwiegen. In Gedanken küsste er Eva. Sie würde sich sicherlich über die Narzissen freuen.
Kain sah sich um, doch keiner der Gäste hatte an den Kellner Wünsche. Ehrlicher schwieg in sein Bierglas.
Er wurde eben wunderlich. Kain sah seinem Kollegen das Alter mit einem Mal an. Er ordnete die Speisekarten rechtwinklig auf einen Stoß, dann andersherum, zu sagen hatte er nichts.
»Frieder hatte Beweise, dass sich das Altenheim an seinen Insassen gesetzeswidrig bereichert.«
»Wo Geld zu verdienen ist, holt man es sich auch auf illegalem Wege. Es vergeht doch kein Fernsehabend ohne einen Skandal. Ich muss dir die Schlagzeilen nicht nennen.«
»Ja, sicher. Wenn ich dem Frieder geglaubt hätte, dann könnte er vielleicht noch leben.« Ehrlicher schaute ihn mit großen Augen an. »Ich bin schuld an seinem Tod, Kain! Hosfeld hätte nicht sterben dürfen. Ich hätte das verhindern müssen! Ich bin ein unfähiger Idiot. Und das nach fünfundvierzig Jahren im Beruf. Scheiße! Ich habe ihm nicht vertraut.« Ehrlicher trank mit einem Schluck das Glas leer.
Kain stand starr. Ehrlicher war am Limit, der meinte es ernst. Jahrelang hatten sie zusammen gearbeitet, doch solche Selbstvorwürfe und solche Resignation hatte Kain bei seinem Partner selten bemerkt. Ehrlicher stand unter Schock, und Kain fielen keine Worte ein, die Ehrlicher wieder klar denken ließen.
»Willste was essen? Tomatensuppe mit feiner Cherry-Note. Steak au four. Oder Fisch? Wir haben Variationen von verschiedenen Fischen an Senfsauce.«
»An Senfsauce! Mit feiner Cherry-Note! Sag mal, steht solcher Quatsch da wirklich drin?« Ehrlicher zerstörte Kains mühsam geordneten Stapel der Speisekarten. »Du redest wie aufgezogen. Ich finde das peinlich.«
»Dass ich hier hinterm Tresen stehe, war doch auch deine Idee!«
Sie schauten aneinander vorbei. Erst nach Minuten brach Kain das Schweigen. »Was ist denn mit dem Hosfeld genau passiert? Bruno, ich glaube, das war ein ganz normaler Herzinfarkt. Und das Buch wolltet ihr also gar nicht schreiben?«
»Quatsch. Klar wollten wir.« Noch vor Tagen wollte er nicht, dachte Kain. Ehrlicher öffnete seinen obersten Hemdknopf. »Um das Buch geht es doch gar nicht.«
»Um was geht es denn dann?« Kain fühlte sich in den alten Beruf zurückversetzt.
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