DoppelherzTOD
wieder so einen unnützen Vertrag aufschwatzen. »Lass man, ich hab kein Interesse.«
»Mensch, Bruno, hör es dir doch erst einmal an. Dauert nicht lang.«
Bruno Ehrlicher schwieg.
»Geht ihr immer noch in den Waschsalon? Die Chefin war schon echt scharf.«
Frederike konnte der Hosfeld nicht meinen, die besaß den Laden damals doch noch gar nicht. Oder? Fünfzehn Jahre war das her? Mein Gott! Mehr als zehn jedenfalls.
»Also im Waschsalon.«
Ehrlicher konnte nicht lügen. »Ja, bei Frederike. Aber ob die Kollegen Kain und Walter überhaupt kommen, also ich weiß nicht…«
»Wenn nicht, kein Problem. Ich bin sowieso in der Stadt. Und den Walter, den habe ich ja…«
»Na, der wird sich freuen!« – »Meinste?«
Ironie war noch nie Hosfelds Stärke gewesen. Was hatten Ehrlicher und Kollegen bei manchem Referat des Schulungsleiters Genossen Major Frieder Hosfeld über das letzte Plenum des ZK der SED gelacht. Genossinnen und Genossen, den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. Honeckers Stilblüten machten sich heute so gut wie die von Stoiber. Manche der Parteiversammlungen wäre damals auch als Kabarett durchgegangen.
»Ich bin dann, denk ich, so gegen achte mal da. Ich freu mich auf euch.«
Wie konnte Ehrlicher seine Quasi-Einladung rückgängig machen? Die Kollegen würden nicht erfreut über Major Frieder Hosfelds Erscheinen sein. Der redete zu viel über Vergangenes und zu viel über Privates. Und der Kain, der war gar nicht mehr bei der Polizei. Hosfeld würde ihn nach den Gründen fragen. Genauso, warum Walter immer noch nicht im Vorruhestand war. Der alte Major würde sich begierig vom Leben berichten lassen. Was war denn noch los, wenn man nicht mehr täglich auf Arbeit gehen musste? Bruno Ehrlicher erschrak über seine Gedanken, auch er bezog jetzt seine verdiente Pension und löste Kreuzworträtsel. »Dann komm doch einfach vorbei.«
»Mach ich.«
»Aber schwatz mir nichts auf. Ich kaufe weder Versicherungen, Tickets für Kaffeefahrten noch Anti-Alzheimer-Pillen.«
»Musste nicht.«
Vielleicht die letzte Möglichkeit, den Abend zu retten. »Aber, warum denn diese plötzliche Sehnsucht nach mir? Hattest doch jahrelang kein Interesse an uns.«
Frieder Hosfeld überhörte die Kritik, keuchte kurzatmig, wohl vor echter Freude. Wahrscheinlich war er noch fetter geworden. Ehrlicher konnte Hosfelds Begeisterung nicht nachvollziehen. »Weißte, Bruno, ich hab da so eine Idee… aber am Telefon? Wir brauchen Ruhe, damit ich dir das alles mal auseinandersetzen kann.«
»Also willst du doch an mein Geld!«
»Nein, Bruno, ganz im Gegenteil! Und wir hätten endlich wieder was zu tun. Was fängst du denn mit deiner vielen Freizeit jetzt an?«
Das mit den Kreuzworträtseln wollte Ehrlicher zu Hosfeld nicht sagen. Ja, aber was sonst tat er den lieben langen Tag über? Vielleicht zweimal die Woche spazierte Bruno Ehrlicher durch die Parks oder über die Friedhöfe in der Stadt. An ein paar Grabstellen konnte er sich vorstellen, später in der Urne zu liegen. Da dachte er pragmatisch und wollte Tommi nicht zu viel Arbeit bereiten. Er selbst besuchte das Grab seiner Frau nicht häufig. Es lag auch auf dem Markusfriedhof in Dresden. Hier in Leipzig war er mehrmals im Zoo gewesen, schaute, ob das Fernsehen die Wahrheit über Elefant, Tiger und Co. zeigte. Am Cospudener See war er spaziert. Allein. Immer allein. Frederike stand hinterm Tresen, vormittags schlief sie nach langen Nächten im Waschsalon. Und die waren fast täglich bei ihr sehr lang. Tommi war Kneiper am Dresdner Elbufer, hatte kaum Zeit, und für ihn schon gleich gar nicht. Das verstand Ehrlicher sogar, die wenigen Stunden jenseits des Alltags wollte man nicht gern mit seinem Alten verbringen. Er selbst hatte auch nicht bei seinen Eltern gegluckt. Kinder hatten keine gesetzliche Aufsichtspflicht über Mutter und Vater. Die meiste Zeit saß der Rentner Bruno Ehrlicher eben zu Hause und langweilte sich. Auf der Mattscheibe fiel sich soeben das zerstrittene Paar um den Hals. Dann der Abspann. Eingekleidet wurde unsere Moderatorin… »Zu tun gibt’s immer was«, sagte er. Hoffentlich fragte der Depp jetzt nicht nach. Ehrlicher hätte keine Antwort gewusst. Stricken? Backen? Volkshochschule? Der Prospekt lag noch immer auf dem Stapel Altpapier: Malen und Zeichnen für Senioren X22112W – In verschiedenen Techniken wie Bleistift, Kohle oder Aquarell werden anhand von Naturstudien die unterschiedlichsten Motive umgesetzt.
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