DoppelherzTOD
nie der Sympath, sondern der überstrenge Chef gewesen. Hosfeld war immer ein bissel zu linientreu, immer ein bissel zu laut, immer ein bissel zu sehr auf seine Karriere bedacht. Und die hätte er ohne weiteres gemacht, wenn nicht ‘89 das sozialistische Kartenhaus in sich zusammengefallen wäre. Hosfelds Träume vom Ministerium in Berlin waren damit plötzlich vorbei. Alles andere auch. Er rettete sich in den Vorruhestand. Seine Abschläge hielten sich in Grenzen. Systemnähe hatte man ihm nie nachweisen können. Hosfeld zog wieder nach Leipzig und verdiente sich paar Märker zur Rente dazu bei einem Personen- und Wachschutz. Und er traf sich regelmäßig mit den alten Kollegen am Stammtisch. Von seiner Familie lebte er schon lange getrennt. Hannelore wohnte in Dresden, seine Töchter im Westen.
»Mensch, warum seid ihr denn bei unserem Stammtisch nie dabei?«
Und prompt versprachen Walter und Kain, nächstens zu kommen. Ehrlicher nickte nur kurz, als Einverständnis konnte das nicht gewertet werden. Alle griffen zu den Gläsern. Hosfeld verschluckte sich vor lauter Begeisterung und hustete mit hochrotem Kopf.
Frederike klopfte ihm auf den Rücken. »So jung kommen wir niemals wieder zusammen!« Sie hatte Geschmack an Hosfeld und Genever gefunden. Und offensichtlich überhörte sie Brunos Warnungen. »Lass mich doch auch mal! Immer nur beim Trinken zugucken, macht auch keinen Spaß. Heute bin ich mal dran.«
»Frederike hat sich’s verdient!« Alle Köpfe in der Runde nickten.
»Soll ich euch mal was erzählen?« Und dann schaute Hosfeld ihm etwas kurzatmig direkt ins Gesicht. Er wischte sich den Schweiß aus der Stirn und lächelte. Ehrlicher grauste. Nein! Bitte keine Anekdote aus den gemeinsamen Tagen. Nicht die vom General und dem Salz und erst recht nicht die vom Anpassungsgesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten und Hildegard Schröter. Aber Hosfeld war nicht zu bremsen: »Der Bruno hat ja noch ganz ungeahnte Talente, und die will ich jetzt vermarkten.«
»Bitte?«
Die Runde verstummte und schaute interessiert in seine Richtung. Ehrlicher sah die Katastrophe auf sich zukommen und überlegte in höchster Not, wie er die verhindern konnte. Hildegard Schröter hatte ihnen während des Weiterbildungslehrgangs in ihrem Zimmer noch in ganz anderen Dingen als zum Anpassungsgesetz Unterricht gegeben. Und Bruno fragte sich bis heute, woher die holde Hilde all die Ideen, Spiele und Gerätschaften hatte. In ostdeutschen Läden konnte sie die stimulierenden Accessoires nicht erstanden haben.
Hosfeld hustete sich einen letzten Brocken aus dem Körper. »Mein lieber Bruno, was hältste davon, wenn wir ein Buch zusammen schreiben?«
Was redete der Hosfeld da? Ehrlicher verstand ihn nicht und war nicht der Einzige.
Ungerührt fuhr Major Hosfeld fort: »Bücher sind eine Marktlücke.«
Dem war nun ganz bestimmt nicht so.
»Sieh mal, Hinz und Kunz schreiben ihre Memoiren. Und ich meine nicht alte Stars oder Bekloppte. Nein, Polizisten schreiben über ihren ersten Fall, Gerichtsmediziner über ihre erste Leiche. Und dabei bleibt es nicht. Es existiert ein ganzes Segment von Polizeiliteratur mit Fällen aus dem wahren Leben. Mensch, Bruno, wir haben doch auch was zu erzählen!«
Ehrlicher verstand wirklich nicht, was Hosfeld jetzt von ihm wollte. Schreiben? »Ich kann mich nicht erinnern, mehr als Berichte geschrieben zu haben.« Er bemerkte sofort die Doppelbödigkeit seines Satzes. Er war kein Stasi-IM. Hosfeld lächelte süffisant. Bruno verhedderte sich. »Also, Polizeiprotokolle habe ich täglich geschrieben. Aber so etwas reicht nicht für ein Buch.«
»Quatsch. Genau die Berichte schreibste jetzt eben noch mal. Aus dem Gedächtnis. Auch in Leipzig gab’s Mord und Totschlag, Vergewaltigung und bizarre Selbstmorde. So was wollen die Leute lesen!«
»So was sehe ich täglich im Fernsehen und drücke weg.«
»Und das glaub ich dir nicht!« Und damit hatte Frieder Hosfeld auch recht. »Stadtführungen, Rundfahrten gibt’s zum Thema Leipzigs berühmteste Mörder, Kriminalliteratur der Stadt und Prostitution nicht nur zu Messezeiten. Warum gibt es nichts von uns? Bruno, wir waren Augenzeugen, haben uns den Mist nicht angelesen oder fantasieren bizarre Mordgeschichten. Wir erzählen, wie’s war. Wirklich war.«
»Ich habe da in Dresden gearbeitet.«
»Ist doch noch besser. Und die modernen Leipziger Mordfälle kennst du auch.«
»Was steilste dir denn da vor?« Es war Frederike, die fragte. Sie hatte
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