Doppelkinnbonus: Gesamtausgabe (German Edition)
Arm. Langsam und dennoch zielstrebig zieht er seine Bahn bis in meinen Schoß, wo er mit ausgebreiteter Hand unter mein Kleid fährt.
Als ich seine Berührung auf meinem Unterleib spüre, löst sich das letzte bisschen Verstand auf. Aber wer braucht schon Verstand, wenn man ohne ihn so viel mehr Spaß haben kann? Wie elektrisiert schiebe ich meine Hände unter sein Hemd und küsse seinen Hals, als hinge mein Leben davon ab.
Gott sei Dank war die hässlichste Unterwäsche, die ich in meinem Schrank finden konnte, zu groß, um sie anzuziehen, fährt es mir durch den Kopf, als ich seine Hand unter dem Stoff meines Slips spüre.
„Ich habe dich so vermisst“, flüstert er mir in den Nacken, während meine guten Vorsätze zusammen mit meinem roten Kleid nur wenige Augenblicke später verknittert auf dem Boden landen.
*
Die Punkte auf dem i führen an diesem Morgen ein gefährliches Dasein. Nur widerwillig unterdrücke ich den Drang, sie mit Herzchen zu ummalen, als ich die Büromaterialbestellung zusammenstelle.
Seit zwei Stunden sitze ich an meinem Schreibtisch, nehme Anrufe entgegen, bin nett zu dem Kurierdienst und der Putzfrau und tue das, wofür ich bezahlt werde. Würde mein Gehalt nach Glückseligkeit berechnet, würde dieser Arbeitstag ausreichen, um mich für immer zur Ruhe zu setzen.
Ich schwebe auf Wolke Sieben, beantworte jede Frage mit einem Lächeln, selbst die, die mir nicht gestellt werden.
„Mal ehrlich“, sagt Karim, als er sich auf die Kante meines Schreibtischs setzt, „was ist los mit dir, Romy? Deine gute Laune ist ja schon fast eklig.“
„Eklig ist lediglich das fragwürdige Pulver, das du dir jeden Morgen in deine Milch kippst“, antworte ich. „Aber selbst darüber kann ich heute hinwegsehen, weil ich – ja, du hast es richtig erkannt – einfach extrem gute Laune habe.“
„Und wenn ich rate, wer für diese extrem gute Laune verantwortlich ist, wie hoch stehen die Chancen, dass ich richtig liege?“
„Ich würde sagen, sehr hoch.“ Ich grinse bis über beide Ohren.
„Nicht dein Ernst. Du hast dich wieder mit Alexander vertragen?“
„So kann man es nennen.“ Ich schaue ihn vielsagend an, kompromisslos dazu bereit, ihm notfalls auch unaufgefordert die rosigen Aussichten für meine Zukunft zu offenbaren.
Karim, dessen viel zu grünes und viel zu enges Hemd durch meine rosarote Brille sogar unerwartet gut aussieht, nimmt einen großen Schluck von seiner bepulverten Milch.
„Aber ich dachte, du wärst wütend auf ihn“, sagt er.
„War ich ja auch.“
„Und es hörte sich nach etwas Ernstem an.“
„Stimmt.“ Ich lehne mich in meinem Drehstuhl zurück. „Aber das konnten wir aus der Welt schaffen.“
„Das heißt, alle Probleme sind beseitigt?“
„Nicht die Probleme, vielmehr die Sichtweise darauf.“
Ich bin froh, dass ich Karim nur von dem Streit, jedoch nichts von den Gründen dafür erzählt habe. Weitere Anmerkungen von weisen Mitmenschen, die es als ihre Pflicht ansehen, mich auf meine nicht vorhandene Konsequenz hinzuweisen, kann ich gerade jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Auch niemanden, der mich erneut daran erinnert, wie wichtig es ist, mir selbst treu zu bleiben und dem Drängen des anderen nicht in blinder Verliebtheit nachzugeben.
Wie definiert sich diese sogenannte Treue überhaupt? Bin ich mir selbst untreu, nur weil ich mich vom übergewichtigen Pummelchen in eine schlanke Frau verwandelt habe? Oder beginnt die Untreue in dem Moment, in dem ich darüber nachdenke, wie ich Alexander besser gefalle?
Ist es denn so falsch, dem Mann gefallen zu wollen, den man liebt? Abgesehen davon hat sich diese Frage praktisch von selbst beantwortet, seit er mich vor genau vierzehn Stunden wortlos, dafür mit umso stichhaltigeren Argumenten davon überzeugt hat, dass er mich sehr wohl noch begehrenswert findet – auch und gerade mit neuer Figur.
„Da kann man nur hoffen, dass das Glück anhält“, sagt Karim.
„Das wird es. Alex und ich, das ist einfach wie Yin und Yang. Egal, ob wir uns zwischendurch mal verzetteln oder in Diskussionen verlieren, am Ende landen wir doch immer wieder beieinander.“ Ich schiebe mein Kinn mit verträumtem Blick auf meine Handfläche. „Wie zwei Magneten.“
Am anderen Ende des Ganges öffnet sich eine Bürotür. Herr Rommelfeld steuert direkt auf meinen Tresen zu.
„Sieht so aus, als ob einer der Magnete seine Anziehungskraft vorübergehend auf andere Dinge lenken muss.“ Karim steht von meinem Schreibtisch
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