Doppelkinnbonus: Gesamtausgabe (German Edition)
Ehehafen. Dass sich das Boot, in dem ich sitze, dem Hafen bereits in schwindelerregender Geschwindigkeit nähert. Stattdessen lächle ich unbeholfen.
„Bei mir wollte es bisher auch nicht klappen“, antwortet er mit wissendem Blick.
Die Art, wie er mich anschaut, macht mich nervös. Glaubt er etwa, dass uns der Beziehungsstatus ledig miteinander verbindet? Dass ich noch immer auf den Richtigen warte und deshalb – sozusagen – im selben Boot wie er sitze? Ein Boot, das so weit vom Ehehafen entfernt ist wie Vorabendsoaps von der Realität?
„Ich bin in festen Händen“, beeile ich mich zu verkünden. „Alles andere ist eine Frage der Zeit.“
„Eine Frage der Zeit“, wiederholt er, ohne den wissenden Blick abzulegen. „Verstehe.“
Gerade als sein Blick anfängt, mich aus der Ruhe zu bringen, zieht er sein Handy aus der Hosentasche.
„Ich bin spät dran“, sagt er, während er eine SMS liest.
„War nett, dich wiederzusehen“, antworte ich.
„Ich hoffe doch, dass nicht wieder zwölf Jahre bis zum nächsten Wiedersehen vergehen werden.“ Er schiebt sein Handy zurück und zieht eine Karte aus seiner Jackentasche, die er mir mit preisverdächtigem Lächeln in die Hand drückt. „Es wäre schön, mal von dir zu hören, Romy.“
Ich schaue ihn fragend an. Hat er mein Dasein in festen Händen etwa nicht zur Kenntnis genommen? Oder ist es ihm schlichtweg egal?
„Ich weiß nicht, ob …“, beginne ich.
„Ob du Lust auf ein Klassentreffen hast?“, fragt er.
„Das Klassentreffen. Ach, das meintest du. Ja, das wäre nett.“
Mein nervöses Stammeln ist mir peinlich. Hat mich das Gefühl, von ihm angebaggert zu werden, tatsächlich so getäuscht? Oder bin ich aufgrund meiner praktisch nicht vorhandenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Anbaggerei nicht in der Lage, ein freundliches Gespräch von einer plumpen Anmache zu unterscheiden?
„Hat mich sehr gefreut.“ Er beugt sich für einen Wangenkuss zu mir herüber.
„Mich auch“, antworte ich.
„Mach’s gut.“ Er legt die Hände auf den Griff seines Einkaufswagens und wirft mir einen letzten, etwas zu langen Blick zu, der mich auf eine Zwei-Sekunden-Zeitreise in mein siebzehnjähriges Ich schickt.
Was hätte ich damals für einen solchen Blick von ihm gegeben? Der Schwarm der Klasse, nein, der ganzen Schule. Und mich hat er angelächelt.
Er hat recht, ich habe mich verändert. Eine Veränderung, die mich gerade in Momenten wie diesen mit Stolz erfüllt. Ganz gleich, ob ich mich über ein Kompliment mit fadem Beigeschmack freuen sollte oder nicht, ich habe es in jedem Fall meiner neuen Traumfigur zu verdanken. Oder – wie Veronika es nennen würde – meinem Hintern, mit dem ich ohne Probleme Nüsse knacken könnte.
„Entschuldigen Sie bitte. Aber Sie stehen vor den Markklößchen.“
Die Stimme einer älteren Dame mit lila Schlapphut beendet meine Zeitreise schlagartig.
„Tschuldigung.“ Ich schiebe meinen Wagen ein Stück zur Seite.
Als ich aufschaue, ist Helge bereits außer Sichtweite.
*
Ich weiß nicht, was mich mehr stört: Der Gedanke, dass die Unmengen an Nahrungsmitteln in Alexanders Kühlschrank nur bedeuten können, dass er Gäste zu unserem romantischen Abendessen eingeladen hat oder die Vorstellung, dass das alles für uns allein sein soll.
Das Hackfleisch wiegt gut und gerne ein Kilo, zum Verfeinern der Soße stehen vier Becher Crème fraîche bereit und der gesunde Charme der frischen Tomaten verblasst augenblicklich beim Blick auf die Kochsahne.
„Ich dachte, du wolltest heute Abend nur eine Kleinigkeit kochen“, rufe ich ihm zu, als ich die Kühlschranktür wieder schließe.
„Stimmt ja auch“, antwortet er aus dem Wohnzimmer.
„Deine Einkäufe erwecken aber irgendwie den Eindruck, dass du mich entweder mästen möchtest oder mir den zehnköpfigen Besuch verschwiegen hast, der gleich vor der Tür stehen wird.“
Er lacht, als er in die Küche kommt. „Keine Sorge, ich habe niemanden eingeladen. Abgesehen davon“, er berührt meine Nasenspitze mit seinem Finger, „hast du gewusst, was dir blüht, wenn du dich auf einen Koch einlässt.“
Der Gedanke an seine Lasagne – die weltbeste in meinen Augen – blendet meine Zweifel für einen Moment aus.
„Es ist nur ungerecht, dass auf deinen Hüften nichts davon zu sehen ist“, sage ich, „wohingegen meine die Kalorien wie Magneten anziehen.“
Er lehnt sich gegen den schweren Esstisch und strahlt mich an. „Meine Meinung zu deiner Figur kennst
Weitere Kostenlose Bücher