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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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Leitungen. Was trieb sie da bloß? Plötzlich war sie meine größte Sorge. Wenn sie bei Tessas Ankunft immer noch unter Schock gestanden hatte, musste sie in einem katastrophalen Zustand sein.
    »Tillmann, ich muss nach Gianna sehen. Ich komme gleich wieder hoch.«
    Ja, ich musste mich um sie kümmern, auch um meinen eigenen Angstgedanken zu entfliehen, die immer greifbarer und gnadenloser wurden. Die Halluzinogene wichen endgültig aus meinem Blut. Wenn ich wieder vollkommen nüchtern war, würde ich die Wände hinaufkriechen vor lauter Panik. Schon jetzt schwebte das kleine Wörtchen »Pest« wie ein Damoklesschwert über meinem Haupt. Die Pest war kein Dämon, den man austreiben konnte. Sondern ein Bakterium. Eine Geißel, gegen die wir nichts in der Hand hatten, keinen Zauber und keine symbolischen Formeln.
    Ich fuhr Tillmann mit dem Zeigefinger über die Wangen, konnte aber kaum Tränen spüren. Womöglich rührte die wenige Feuchtigkeit von seinem Schweiß und dem Duschwasser. Sein Schluchzen war abgeklungen. Er würde sich hoffentlich beruhigen und ich würde Gianna überreden, so schnell wie möglich mit mir nach oben zu kommen, dann konnte ich mich um beide kümmern und wir konnten uns gegenseitig ablenken. Niemand von uns durfte jetzt allein bleiben.
    Denn meine Befürchtungen bestätigten sich. Gianna präsentierte sich mir heulend wie ein Schlosshund, nachdem das Türschloss unter zwei gezielten Tritten nachgegeben hatte. Mit krummem Rücken und verkrampften Schultern hockte sie in der Badewanne, in die sie gerade wieder kochend heißes Wasser einlaufen ließ, geschüttelt vom Weinen und ihrer Angst. Ihre Haut war krebsrot wie meine. Im seifigen Wasser schwammen verschiedene Duschgeltuben, leer gedrückt, ihre Haare waren noch eingeschäumt. Ich jaulte auf, als ich die Geltuben aus dem Wasser fischen wollte. Es verbrühte mich fast.
    »Gianna, komm raus, das ist bestimmt nicht gesund, was du da machst …«
    Sie schlug meinen Arm von sich weg. »Fass mich nicht an! Du bist gestochen worden, du hast es wahrscheinlich schon in dir!« Nun fing sie an zu schreien, nicht sehr laut, aber umso aggressiver. »Weißt du eigentlich, was ihr getan habt? Ihr habt einen Menschen umgebracht!«
    »Das haben wir nicht«, wiederholte ich gebetsmühlenartig, was ich vorhin auf dem Dachboden bereits zu Tillmann gesagt hatte. »Der Mensch lebt. Der Dämon ist tot. Es ist genau das passiert, was wir wollten …«
    »Genau das, was wir wollten? Nein, Elisa! Nein! Da drüben liegt eine uralte Frau, weißt du, was das bedeutet? Sie kennt das alles hier nicht, sie kennt keine Autos, kein fließendes Wasser, keine Elektrizität …«
    »Allerdings.« Ich drehte seufzend den Wasserhahn zu. Jetzt hörte Gianna es auch. Klick, klack. Ich hatte es vorhin schon wahrgenommen, als ich nach unten gegangen war. Paul und Colin hatten gerade lautstark in der Küche gewerkelt. Trotzdem war da dieses rhythmische Klacken gewesen, klick, klack, klick, klack. Tessa schaltete das Licht aus und an, wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal begriff, wozu dieser Knopf an der Wand gut war. Es schien sie zu faszinieren. Nun begann sie zudem an der Tür zu rütteln. Paul hatte sie eingesperrt, aber sie wollte sich wohl gerne ein bisschen im Haus umsehen.
    »Das ist so gruselig, Ellie.« Gianna starrte auf ihre schaumbedeckten Knie. »Ich werde nie wieder baden können, ohne an diese Situation zu denken, nie wieder.«
    »Baden wird sowieso überbewertet«, versuchte ich unsere katastrophale Lage mit einem Witz zu entkrampfen, doch Gianna hatte keine Antennen für spaßige Bemerkungen, nicht jetzt. Ich konnte sie gut verstehen. Trotzdem durfte ich sie nicht in ihre Paranoia abgleiten lassen. Die Haut an ihren Fingern und Ellenbogen schrumpelte bereits und ihr rann der Schweiß in Strömen von den Schläfen, aber sie machte keine Anstalten, aus der Wanne zu steigen. Ich konnte ihr nicht länger dabei zusehen. Es war schädlich, was sie mit sich anstellte, hochgradig schädlich. Ich streckte meinen Arm ins heiße Wasser und zog den Stöpsel heraus, um ihn dann sofort über meine nackte Brust zu streichen. Infiziert. Gianna würde ihn nicht mehr nehmen wollen.
    »Sorry«, murmelte ich. Sie schluchzte nur anklagend auf. Nach wenigen Minuten war das Wasser abgelaufen. Gianna blieb sitzen, dampfend, schwitzend und schlotternd und noch immer von glitzerndem Schaum überzogen.
    »Gianna, du kannst nicht ewig in der Badewanne bleiben. Hier ist kein sicherer

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