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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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ungelenk nahm Tillmann mir den Stein weg und legte ihn auf das oberste Regalbrett. Dann schlang er sich ein Handtuch um die Schultern und stieg geduckt aus der Duschwanne. Seine Bewegungen wirkten verlangsamt, fast apathisch, und sein Gesicht war kreidebleich. Alle paar Sekunden räusperte er sich, um dann wie in einem spastischen Krampf zu schlucken.
    Er hockte sich auf die Kacheln und lehnte seinen Rücken gegen die Wand, schloss die Augen. Auch ich nahm mir ein Handtuch, dabei hatte der Scirocco den Dachboden derart aufgeheizt, dass mir schon jetzt wieder der Schweiß aus allen Poren brach. Doch ich hatte den Wunsch, mich zu bedecken.
    »Ich denke die ganze Zeit, ich müsste kotzen, aber ich muss nicht. Ich hab gelesen, dass man das tut, wenn man jemanden umgebracht hat.« Tillmanns Stimme klang gebrochen. Dennoch lenkten mich seine Worte ein wenig von meiner eigenen Panik ab. Immerhin hatte ich in ihm jemanden, mit dem ich über alles sprechen konnte. Sofort wurde ich etwas ruhiger.
    »Du hast niemanden umgebracht. Sie ist nicht tot.« Sie war sogar so lebendig, dass sie Colin Komplimente machte. Und nebenbei ein bisschen Blut spuckte.
    »Doch, den Dämon habe ich umgebracht, ich habe etwas umgebracht, Ellie, und es war so leicht! Erst dachte ich, ich kriege das Messer gar nicht durch die Haut, es ist am Knochen abgeprallt, mir tut jetzt noch das Handgelenk weh … Aber dann, als es klappte, war es, als würde ich in eine Luftblase hineinstechen. Es glitt einfach hindurch, als wäre da … als wäre da gar nichts? Wie durch eine leere Hülle!«
    »Was ist eigentlich genau passiert? Ich weiß nur noch, dass ich plötzlich dachte, ihr bringt mich um.« Nur weiterreden, Ellie. Wenn du redest, musst du nicht so viel nachdenken.
    »Du hast einen Horrortrip erwischt, Ellie, die totale Paranoia. Mann, du solltest echt keine Drogen nehmen. Trotzdem danke. Das meine ich ernst. Danke.«
    »Wieso danke?«, fragte ich verwirrt. Ich hatte vorhin eher den Eindruck gehabt, als hätte ich alles durcheinandergebracht.
    »Weil dein Horrortrip mich wachgerüttelt hat. Ich war die ganze Zeit mit dir auf einer Ebene, bin dir gefolgt. Das hab ich immerhin wochenlang trainiert. Berauscht zu sein und trotzdem konzentriert zu bleiben. Es hat geklappt, sogar als du dich in diesen blöden Käfer verguckt hattest. Und auch mit …« Tillmann machte eine kleine verlegene Pause. »Mit Colin. Bist du sauer, weil ich ihn angefasst habe?«
    »Quatsch.« Trotz unseres Elends musste ich auflachen. »Ich weiß schon, wie du gepolt bist. Er war schön, unglaublich schön, man konnte nicht anders, als ihn zu berühren. Es hat ihm gefallen. Es musste so sein. Es hat bestimmt wundervoll ausgesehen, wie wir da zu dritt auf den Stufen saßen und uns nahe waren.«
    »Ja. Hab ich auch gedacht und gefühlt. Ich hab Colin immer respektiert und bewundert. Mehr als jeden Menschen in meinem Leben. Aber vorhin, da … da habe ich ihm was gegeben. Ich! Wir waren auf Augenhöhe. Keine Grenzen mehr, verstehst du? Na, egal. Jedenfalls hab ich gemerkt, dass du Tessa erliegst, und genau das war die Gefahr. Du hast dich vergessen. Du bist ihr entgegengerobbt, Ellie, wolltest dich von ihr nehmen lassen und ich wollte es auch, zusammen mit dir. Wir waren wie ihre Kinder. Bis du Colins Waffe registriert hast und dein Horrortrip ausgelöst wurde. Manchmal können die kleinsten unvorhergesehenen Wendungen schlechte Trips verursachen. Ich hatte auch keine Ahnung von seinem Plan … Aber gut, dass er dran gedacht hat, oder?«
    Ich nickte. Mit Grauen erinnerte ich mich an den Moment, als Colin sich den Dolch in die Brust gerammt hatte. Er hatte gehofft, dabei zu sterben, und hätte sich seine Hoffnung erfüllt, hätten wir nichts dagegen ausrichten können. Und dann seine Worte. »Ich liebe mich nicht.« Mir rann es eiskalt den Rücken hinunter. Als könne er mir Schutz bieten, setzte ich mich dicht neben Tillmann, doch während er weitersprach, fing er heftig zu bibbern an.
    »Verstehst du jetzt, warum ich zu ihr wollte? Warum ich sie nicht vergessen konnte? Nun ist sie fort, für immer … Ich hab sie umgebracht. Ich weiß, dass sie mein Verderben war, aber ich wollte dieses Gefühl noch einmal erleben, nur noch ein Mal …«
    Ja, ich verstand es. Die geborgene Euphorie, die ich während meines Rauschs in Tessas Nähe empfunden hatte, hatte etwas Magisches, Göttliches an sich gehabt. Vielleicht hatte ich dieses Gefühl aber nur wegen der Pilze so stark empfunden.

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