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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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mehr …«
    »Na und? Dann suche ich mir eine neue Bleibe und einen neuen Job. Das ist doch kein Problem. Also, wir sollten uns so rasch wie möglich überlegen, wo dein Vater stecken könnte, und dann … ja, wie gesagt. Nach Hause.«
    Nach Hause – wie sollte das aussehen? Indem Paul und Gianna zurück nach Hamburg gingen, wo Gianna arbeiten und Paul studieren würde? Und Tillmann? Was sollte der machen? Sich wieder vor mir vergraben, bis er sich in der Lage fühlte, mir seine Gedanken mitzuteilen? Ganz zu schweigen von Colin, der ausdrücklich gesagt hatte, dass er in sein Haus im Wald nicht zurückkehren könne. Es gab kein Zuhause mehr, nicht für mich. Aber genauso wenig fühlte ich mich gestärkt und kräftig genug, schnell mal eben nach meinem Vater zu forschen. Ich hatte nach wie vor nicht die winzigste Spur. Ich musste mich erst ausruhen, wenigstens ein paar Tage lang.
    »Versteh doch, Ellie, ich sehne mich nach meiner vertrauten Umgebung nach all dem Horror.« Gianna begann mit der Schnalle ihrer Holzpantinen zu spielen.
    »Ich dachte, Italien ist deine vertraute Umgebung«, murrte ich, ahnte aber schon, dass sie mir nicht die volle Wahrheit sagte. Was ich spürte, war etwas anderes. Leisen Abscheu und den sehnlichen Wunsch, sich vor mir zurückzuziehen, das war es, was Gianna antrieb. Sie wollte es hinter sich bringen, mit mir zusammen zu sein. Diese Vorstellung empörte mich nicht nur, sie tat mir auch zutiefst weh. Ich war wieder gesund, es gab keinen Grund, mich zu fürchten.
    »Noch was, Ellie.« Gianna öffnete die Schnalle ihrer Pantolette und schloss sie wieder. »Ich wollte mich für mein Verhalten in den letzten Tagen bei dir entschuldigen.«
    »Hm«, machte ich. Großartig geändert hatte es sich ja nicht, sie überspielte ihre Abneigung nur besser. Trotzdem fühlte ich sie. Und ich fand, dass nicht nur Gianna sich entschuldigen sollte, sondern auch Colin. Ich verstand, dass sein Hunger ihn zu einem schnellen Aufbruch gedrängt hatte, aber irgendeine Berührung oder Geste oder einen Satz hätte er mir noch schenken können. Und erst Tillmann …
    »Ich weiß, dass es nicht richtig war, dich so zu meiden«, sprach Gianna hastig weiter und spreizte ihre zarten Hände, als könne sie ihren Worten damit mehr Gewicht verleihen. »Aber da war etwas in mir, was diesen Sicherheitsabstand von mir verlangte, mit aller Macht, und es …« Sie sah mich reuig an. »Das tut es immer noch. Ich kann nichts dagegen machen. Ich möchte dich nicht berühren oder dir zu nahe sein. Ich bin mir dessen bewusst, dass das schäbig ist, aber … ich bin diesem Wissen gegenüber so hilflos! Alles in mir sagt mir, dass es richtig ist, dich nicht anzufassen, also …«
    »Also tust du es nicht«, bereitete ich diesem unseligen Monolog ein Ende. Das konnte man sich ja kaum anhören. »Kein Thema. Ich steh sowieso nicht auf Freundschaften mit Anfassen.« Das kam der Wahrheit sogar recht nahe. Die ständigen Küsschen rechts und links und das eingehakte Bummeln, das Jenny und Nicole mit mir praktiziert hatten, war mir oft auf die Nerven gegangen. Ich bewegte mich lieber frei und brauchte meine Zeit, bis ich mich an die Gegenwart eines anderen Menschen gewöhnte und ihn berühren wollte. Küsschen zur Begrüßung widersprachen dem, was mein Körper mir signalisierte. Er wollte höchstens Küsschen zur Verabschiedung. Trotzdem war ich verletzt. Ich hatte geglaubt, Gianna sei meine Freundin. Hatte Paul ihr denn nicht deutlich machen können, dass keine Ansteckungsgefahr mehr von mir ausging? Ihn fasste sie außerdem auch an und er hatte Tessa behandelt.
    »Ach, Ellie …« Gianna schaute kopfschüttelnd auf ihre gebräunten Zehen. »Ich verstehe es doch auch nicht. Und es betrifft nicht nur dich, sondern auch Colin, obwohl ich euch beide mag. Ich komme da nicht drüber weg.«
    Ich erlaubte mir ein wissendes Grinsen. Klar wollte sie auch Colin meiden. Wie alle anderen Menschen es bei ihm tun wollten. Und ich wurde nun in Sippenhaft genommen, weil die Pest nicht mehr dienlich war? Hatte Gianna sich denn schon immer in meiner Gegenwart so gefühlt? Unwohl? Gianna ließ ihre Zehen in Ruhe und versuchte, einen Blick in meine Augen zu erhaschen, doch ich verweigerte ihn ihr. Vielleicht sind meine Augen ja auch schädlich für ihre Gesundheit, dachte ich sarkastisch.
    »Es tut mir aufrichtig leid, Ellie. Ich mag gebildeter und erfahrener als du sein, aber nicht stärker.«
    »Oh, so stark bin ich nicht«, widersprach ich

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