Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
Vom Netzwerk:
oder?«
    Ich nickte und schluckte trocken. Ja, so dachte ich mir das auch, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob Colin dazu in der Lage war. Über seine Mahrkontakte hatte er sich stets ausgeschwiegen und lediglich erwähnt, dass er kein gutes Standing hatte. Mit seinem Lebensentwurf – so nahe wie möglich bei den Menschen und Traumraube ausschließlich bei Tieren – stellte er das Dasein seiner Artgenossen infrage. Und nun hatte er seine eigene Mutter getötet. Wir hatten sie gemeinsam getötet. Mahre führten zwar keine Freundschaften und wahrscheinlich würde sie niemand vermissen. Nichtsdestotrotz war es für ihn eine heikle Angelegenheit, nach Papa zu recherchieren. Möglicherweise begab er sich und uns damit in große Gefahr und von Gefahren hatte ich vorerst genug.
    Außerdem fühlte ich mich jetzt, wo ich gerade erst überlebt hatte, völlig überfordert mit unserem Vorhaben. Ich wusste nicht einmal, wo ich beginnen sollte. Wir mussten einen der Revoluzzer finden, mit denen Papa zusammengearbeitet hatte, aber wo und wie? Das war nichts, was wir übers Knie brechen konnten. Wir mussten gut darüber nachdenken, was wir taten, und im Moment wollte ich nur existieren und nicht zu viel denken, ich wollte diesen Zustand von heute Morgen noch ein wenig bewahren, um wieder zu Kräften zu kommen. Und mir dieses geborgene Gefühl von heute Nacht zurückerträumen …
    »Sagst du es den anderen?«, bat ich Paul leise. »Ich war ja nicht sonderlich beliebt in den vergangenen Tagen.« Geändert hatte sich daran nicht viel. Dabei hatte ich doch niemandem etwas getan. Gut, vielleicht hatte ich Tillmann etwas getan, indem ich zu ihm unter die Decke geschlüpft war, aber ich hatte ihn weder verletzen noch kränken wollen und eigentlich musste er das wissen.
    Paul kam meinem Wunsch nach. In wenigen Sätzen machte er Gianna und Tillmann beim Frühstück klar, dass wir die kommenden acht Tage ausschließlich Ferien machen würden. Ich registrierte Tillmanns erstaunten Blick, mit dem er mich ansah, als diese Worte fielen. Ja, womöglich hatte er das nicht von mir erwartet. Aber er hatte es auch nicht mit dicken Lymphknoten und wütenden Mahren zu tun gehabt. Ich brauchte eine Pause. Ich hatte sie schon gebraucht, bevor wir losgefahren waren. Und es war allein Pauls und meine Entscheidung, wann wir nach unserem Vater zu suchen begannen.
    Gianna willigte erst widerstrebend, dann aber beinahe erleichtert ein. Sie hatte genug von ihrem unfreiwilligen Nebenjob als Gefahrensucherin und war für eine Woche davon beurlaubt worden. Das konnte ihr nur recht sein. Trotzdem versuchte ich mich zu verteidigen, denn Tillmanns Augen klebten immer noch an mir.
    »Wenn sich etwas ergibt oder Colin eine Information bekommt, reagieren wir natürlich darauf, keine Frage. Aber erst einmal … erst einmal muss ich wieder durchatmen können.«
    »Ich glaube, das müssen wir alle«, sagte Gianna und legte reflexartig die Hand auf ihren Bauch. Ihr war nicht mehr übel gewesen in den letzten Tagen, aber wahrscheinlich fürchtete sie, es würde wiederkommen, wenn wir uns in ein weiteres Abenteuer stürzten. »Deshalb schlage ich vor, dass wir heute Abend zusammen nach Pietrapaola in die Pianobar fahren und ein wenig unseren Sieg feiern. Einverstanden?«
    Ich hatte meinen Sieg zwar heute Nacht schon gefeiert – auch wenn dies streckenweise eher einer Trauerfeier geähnelt hatte –, doch ich fand ebenfalls, dass es Zeit war, sich den schönen Seiten Italiens zu widmen, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass die anderen nur noch meine Bekannten und nicht mehr meine Freunde waren. Selbst mein Bruder hegte einen Groll gegen mich, obwohl er ihn zu unterdrücken versuchte. Aber auch die Jungs stimmten zu, Paul mit einem Nicken, Tillmann mit einem Brummen.
    Stunden später traute ich meinen eigenen Augen kaum, als Colin bei Sonnenuntergang mit Louis am Strand auftauchte, während ich gerade weit hinausgeschwommen war, so weit, dass ich die Hügelketten sehen konnte, in deren ausgetrockneten Wäldern es hier und da rot aufleuchtete. Brandherde. Ob Colin nach mir Ausschau hielt, sich vielleicht sogar um mich sorgte? Oder waren seine Gedanken nur bei Louis? Ich beeilte mich zurückzuschwimmen, doch er verschwand samt Pferd, bevor ich die Brandung erreichte. Gianna teilte mir hinter ihren schwarzen Brillengläsern mit, dass er uns heute Abend begleiten würde. Auch das konnte ich kaum fassen.
    Kurz vor unserem Aufbruch stand er plötzlich im Türrahmen, als ich

Weitere Kostenlose Bücher