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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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auf dem Bett saß und mich meinen störrischen Haaren widmete. Ich ließ ihn bei meinem Kampf zusehen, ohne ein Wort zu verlieren.
    Schon der gesamte Tag war schweigsam gewesen. Keine gemeinsamen Volleyballschlachten. Keine Witzeleien. Kein Tratschen am Strand. Tillmann strafte mich mit Schweigen, Gianna blieb wortkarg, Paul grübelte. Und immerzu hatte ich das Gefühl, dass es meine Schuld sei. Nun war auch ich stumm. Bei Colin sollte es jedoch keine Retourkutsche sein; ich wusste einfach nicht, welches Thema ich anschneiden konnte, ohne dass unser Gespräch in Streit ausartete und wir wütend, vielleicht auch gierig übereinander herfielen, ob im Kampf oder in der Liebe. Beides war jetzt eher unpassend.
    Aus seiner Miene konnte ich nicht herauslesen, was er dachte oder fühlte. Falls er etwas fühlte. Als ich schließlich, nachdem ich mich mal wieder den Launen meiner Haare unterworfen hatte, mit hocherhobenem Haupt an ihm vorbeistolzierte, klatschte er mir in einer seiner vor Selbstbewusstsein strotzenden Machogesten auf den Hintern und ich konnte nicht anders, als dem Grinsen nachzugeben, das sich in meine Mundwinkel gestohlen hatte.
    Colin chauffierte uns in seinem Wagen. Gianna dirigierte ihn großräumig gestikulierend die Küstenstraße entlang, doch er schien zu wissen, wie er fahren musste. Pietropaola klang in meinen Ohren nicht aufregend und eher nach einem Wallfahrtsort als nach einem Platz, wo man vergessen, sich versöhnen und auftanken konnte. Umso erstaunter stellte ich fest, dass es in Kalabrien tatsächlich touristische Bemühungen gab, obwohl das Ambiente eher einem Rummelplatz glich als einer italienischen Piazza. Gianna lotste uns durch die Fahrgeschäfte, Buden und im Korso marschierenden Einheimischen zu einer weitläufigen Outdoorbar inmitten eines Hotelgartens, der großzügig mit blühenden Blumenranken und Palmen bestückt worden war.
    Ich fühlte mich, als hätten wir nach einem langen Marsch durch die Wüste endlich die lebensrettende Oase gefunden. Sofort empfand ich die Missstimmungen zwischen Gianna, Tillmann, Paul und mir als weniger dramatisch. Mir gefiel spontan alles hier, ganz entgegen meines Hangs zu nörgeln – ja, mir gefielen die runden Tische mit ihren unbequemen Flechtstühlen, die halbrunde Bar, die billige Beleuchtung, die Stumpenkerzen, die Schnulzenmusik, die aus den Boxen schallte, und auch der weiße Flügel, der auf einem Podest in der Mitte der Anlage thronte. Dabei war es nicht einmal ein echter Flügel. Es war ein Teil, das aussah wie ein Flügel und in dem ein Alleinunterhalter-Keyboard versenkt worden war. Ausnahmsweise gefielen mir sogar die umherwuselnden, geschäftigen Kellner, die so taten, als hätten sie Hunderte von Gästen zu bedienen, und die trotz ihrer demonstrativen Hektik entspannt wirkten. Das beherrschten die Italiener perfekt – in der Hektik zu entspannen. Dabei waren nur wenige Gäste außer uns da. Wahrscheinlich war es noch zu früh am Abend.
    Neugierig starrte ich in einen Brunnen, in dem echte Fische schwammen und in den eine kleine, dicke marmorne Putte ununterbrochen hineinpinkelte.
    Die anderen hatten bereits einen Tisch in einer lauschigen, von Palmen umgebenen Ecke gefunden, zu dem sie mich rufend herbeiwinkten. Früher hatte ich versteckte Plätze geliebt und in Restaurants immer den Stuhl besetzt, der mich vor fast allen Blicken schützte. Doch heute war mir das gar nicht recht. Ich wollte alles sehen, alles auf mich einwirken und mich von jedem Detail ablenken lassen. Ich rückte den letzten freien Stuhl ein wenig zur Seite, um durch die Palmwedel auf das Klavier schauen zu können, doch der Wortwechsel zwischen Colin und Gianna, der sich in meiner Abwesenheit entsponnen hatte, lenkte mich ab.
    Sie sprachen auf Italienisch miteinander und das ärgerte mich. Colin schmunzelte wissend, als er etwas zu Gianna sagte, was sie sofort in ein leicht verlegenes Kichern ausbrechen ließ.
    »Hallo, ich bin auch noch da«, giftete ich.
    »Oh, das ist nicht zu übersehen, Lassie«, entgegnete Colin, ohne mit diesem aufreizend süffisanten Grinsen aufzuhören. Gianna kicherte nun hinter vorgehaltener Hand – völlig unnötig, man hörte sie sowieso –, während Tillmann mit undurchdringlichem Blick auf meine nackten Beine schielte, die ich neben dem Tisch ausgestreckt hatte. Ich hatte meine abgeschnittene Jeans anbehalten, wusste aber nicht, was daran so verwerflich sein sollte. Gianna trug doch auch immer die allerkürzesten Röcke –

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