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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sehen uns zum Tee.‹ Das soll die Methode sein, um Tessa zu töten? Ganz ehrlich, der macht sich einen Spaß daraus … Der will nicht, dass du überhaupt daran denkst. Und ich will es übrigens auch nicht.«
    »Ach, das mit dem Tee meinte ich doch gar nicht«, verteidigte ich mich. »Er hat noch mehr gesagt. Ich hatte es nur vergessen. Diese Tee-Sache war wahrscheinlich irgendein blöder Witz.«
    Ein sehr blöder Witz. Mahre tranken keinen Tee und es gab wohl keinen ungeeigneteren Platz für sie als in einer familiären Runde am reichlich gedeckten Tisch.
    »Ehrlich?« Gianna überflog mein Gesicht misstrauisch mit verengten Augen. »Ellie, redest du dir jetzt was ein oder hast du …? Hast du wirklich noch etwas anderes gehört? Du …« Sie brach seufzend ab. »Merda«, setzte sie nach einer kleinen Pause entmutigt hinterher. Allmählich dämmerte ihr, dass weder Colin noch ich Witze machten, aber glauben wollte sie es noch nicht.
    Nachdem wir den Kuchen zum Auskühlen in den Windfang gebracht hatten, saßen Gianna und ich mehr tot als lebendig im Wintergarten und sahen dabei zu, wie Mama bei Wind und Regenschauern Unkraut jätete und den Rasen für ihr neuestes Attentat vorbereitete. Sie hatte heute Morgen einen Baum gekauft. Garantiert zusammen mit Herrn Schütz. Und dieser Baum sollte heute noch eingepflanzt werden. Wie idyllisch.
    Paul und Tillmann trafen pünktlich ein. Tillmanns Begrüßung fiel gewohnt unterkühlt aus. Immerhin drückte er mich an seine Schulter und klopfte mir kumpelhaft den Rücken. Zwei prägnante Schläge, fertig, abtreten. Gianna hingegen war für einige Sekunden nicht mehr zu sehen, weil sie in den Tiefen von Pauls starken Beschützerarmen verschwand. Erst nachdem Mama ihren Sohn mit einem verräterischen Glänzen in den Augen auf beide Wangen geküsst hatte, schnappte ich mir Paul.
    »Na, Kleine?«, brummte er in meine Haare und schnüffelte wie ein Jagdhund, während er mich fest an seine breite Brust drückte. Er roch das Blut. Er musste es riechen, er war Mediziner. Ich schluckte gegen das enge Gefühl in meiner Kehle an. Paul wirkte immer noch nicht viel gesünder und kraftvoller als bei unserer Rückkehr. Sein Atem ging schwer. Trotzdem fühlte ich mich in seinen Armen geborgen.
    »Kommst du mal kurz mit in den Windfang?«, flüsterte ich in sein Ohr und spürte, wie er nickte.
    »Sind gleich wieder da!«, rief ich den anderen zu, die sich verlegen gegenüberstanden – Gianna und Mama auf der einen Seite, Tillmann auf der anderen – und nicht recht wussten, was sie miteinander reden sollten.
    »Was ist passiert?«, fragte Paul, sobald wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, und zeigte auf meine Schläfe.
    Ohne etwas darauf zu erwidern oder gar zu erklären, drehte ich ihm den Rücken zu und deutete auf meinen Hinterkopf. »Kannst du das mal untersuchen? Diese Wunde war plötzlich da und ich weiß nicht, woher.«
    Paul machte ein grunzendes Geräusch, als er meine Haare vorsichtig teilte und die Verletzung entdeckte.
    »Ellie … erzähl keinen Mist. Wer hat dir das angetan?« Sanft strich er über die Biegung des Schnitts. »Und warum hat Mama mir nichts davon gesagt? Das muss doch schon vor Tagen geschehen sein, sie ist …«
    »Heute Nacht«, unterbrach ich ihn. »Es ist heute Nacht passiert.«
    »Kann nicht sein. Unmöglich. Der Riss beginnt doch schon zu verheilen!«
    »Paul, ehrlich.« Ich drehte mich wieder zu ihm um, um ihn anzusehen. »Ich lüge nicht. Und es hat niemand Hand an mich gelegt. Ja, Colin war da, aber er hat mich nur festgehalten, nicht geschlagen. Auf einmal blutete mein Kopf. Ich weiß, es klingt total irre, aber ich lag auf meinem Kissen! Ich hab mir nur die Schläfe angeschlagen, weil ich mich herauswinden wollte, kurz vorher, aber nicht meinen Kopf.«
    »Die Schläfe sitzt am Kopf, Ellie.«
    Ich stöhnte genervt auf. »Aber nicht am Hinterkopf, oder? Ich kann das schon unterscheiden, ganz unterbelichtet bin ich nicht. Ich will nur wissen, wie so etwas passieren kann.«
    »Gar nicht.« Pauls Lippen verhärteten sich und sein Blick wurde stählern. »So etwas kann nicht passieren. Nicht einfach so. Du sagst, es geschah oben in deinem Zimmer?«
    Ich nickte. »Ja. Mitten in der Nacht. Ich lag im Bett.«
    »Hatte er eine Waffe bei sich, ein Messer oder so?«
    »Nein!« Ich musste mich zwingen, nicht zu schreien. »Keine Waffe, nichts. Mahre brauchen keine Waffen. Er hat mich dort nicht einmal berührt.«
    Wieder begann Paul die Wunde zu untersuchen.

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