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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schwerer Fehler war. Noch nie zuvor in dem langen triumphalen Feldzug, der das Haus York der Schande entrissen hat, den schlafenden König und die böse Königin um Vergebung bitten zu müssen, und zum Sieg und auf den Thron von England führte, hat er so etwas getan. Mein Vater war an Edwards Seite, hat ihn beraten und angeleitet, hat jeden seiner Schritte diktiert. Stets hat mein Vater entschieden, was das Beste für ihn war. Er ist ein junger Mann und jetzt schon König und verdankt meinem Vater alles. Wenn mein Vater sich nicht seiner Sache angenommen und ihm beigebracht hätte, wie man eine Armee anführt, wenn mein Vater nicht seinen Kampf für ihn gekämpft hätte, säße er nicht auf dem Thron. Mein Vater hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, zuerst für Edwards Vater und dann für Edward. Und just in dem Augenblick, da der schlafende König und die böse Königin geflohen waren und Edward zum König gekrönt wurde und alles für immer hätte wunderbar sein können, hat er sie heimlich zur Frau genommen.
    Sie soll uns zum Abendessen führen, und die Hofdamen stellen sich sorgsam hinter ihr auf. Es gibt eine festgelegte Rangordnung, und es ist äußerst wichtig, sie einzuhalten. Ich bin fast neun Jahre alt, alt genug, um das zu begreifen. Schon als kleines Mädchen im Schulzimmer hat man mich die Rangordnung gelehrt. Da sie morgen gekrönt wird, geht sie voran. Von jetzt an wird sie in England immer die Erste sein. Sie wird den Rest ihres Lebens vor meiner Mutter gehen, und das behagt meiner Mutter nicht besonders. Als Nächste müsste ihr die Mutter des Königs folgen, doch sie ist nicht hier. Sie hat die schöne Elizabeth Woodville zu ihrer Feindin erklärt und geschworen, der Krönung einer einfachen Frau nicht beizuwohnen. Alle wissen um die Unstimmigkeiten in der königlichen Familie, und die Schwestern des Königs schließen sich ohne die Aufsicht ihrer Mutter dem Zug an. Sie wirken recht verloren ohne die schöne Herzogin Cecily, die den Weg weist, und als der König den leeren Platz seiner Mutter bemerkt, verblasst für einen Augenblick sein selbstbewusstes Lächeln. Es ist mir ein Rätsel, wie er es wagen kann, sich der Herzogin zu widersetzen. Sie ist genauso furchterregend wie meine Mutter, sie ist die Tante meines Vaters, jeder gehorcht ihr. Der König muss die neue Königin wirklich sehr lieben, sonst würde er sich nicht seiner Mutter widersetzen.
    Die Mutter der Königin ist anwesend. So einen Augenblick des Triumphes lässt sie sich auf keinen Fall entgehen. Sie nimmt ihren Platz ein, hinter ihr reiht sich ihre Armee von Söhnen und Töchtern auf, und an ihrer Seite geht ihr gutaussehender Gemahl, Sir Richard Woodville. Er ist Baron Rivers, und alle flüstern sich im Scherz zu, die Flüsse seien wahrlich im Steigen begriffen. Ehrlich, es gibt unglaublich viele von ihnen. Elizabeth ist die älteste Tochter, und hinter ihrer Mutter folgen die sieben Schwestern und fünf Brüder. Ich starre den schönen jungen Mann John Woodville an, an der Seite seine neue Frau. Er sieht wie ein Junge aus, der seine Großmutter begleitet. Er wurde in die Ehe mit der Witwe des Duke of Norfolk, meiner Großtante Catherine Neville, gezwungen. Es ist eine Schande, das sagt auch mein Vater. Meine werte Großtante ist uralt, eine vermögende Greisin, sie ist fast siebzig. Nur wenige Menschen sind je so einer alten Frau begegnet, John Woodville ist ein junger Mann von zwanzig Jahren. Meine Mutter sagt, so wird es von nun an sein: Wenn man die Tochter einer Frau, die einer Hexe gleicht, auf den Thron von England setzt, ist mit finsteren Machenschaften zu rechnen. Wenn man eine raffgierige Person krönt, wird sie alles an sich reißen.
    Ich löse den Blick von dem müden, faltigen Gesicht meiner Großtante und konzentriere mich auf meine Pflicht. Ich gehe neben Isabel hinter meiner Mutter und achte darauf, nicht auf ihre Schleppe zu treten. Ich bin ja erst acht. Isabel, die dreizehn ist, seufzt, als sie sieht, dass ich nach unten blicke und mit den Füßen scharre, um die Zehen unter den reichen Brokat zu schieben, damit mir auch ja kein Fehler unterläuft. Und dann blickt Jacquetta, die Mutter der Königin, die Mutter der raffgierigen Person, sich nach ihren Kindern um und bemerkt, dass ich am rechten Platz bin, dass ich alles richtig gemacht habe. Sie blickt sich um, als sorgte sie sich um mich, und als sie mich sieht, hinter meiner Mutter, neben Isabel, schenkt sie mir ein Lächeln so bezaubernd wie das ihrer Tochter, ein

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