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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Burggraben und einer grauen äußeren Steinmauer. Dahinter drängt sich schutzsuchend die kleine Stadt an den Wall. Die Leute sinken auf die Knie, wenn wir vorbeireiten. Mutter sagt, unsere Familie, die Nevilles, sei für die Menschen im Norden wie Götter. Wir sind ihnen durch Eide verpflichtet, die bis in den Anbeginn der Zeit zurückreichen, als es Teufel gab und Seeschlangen und einen großen Wurm und wir schworen, die Menschen vor all diesen Kreaturen zu beschützen, und auch vor den Schotten.
    Mein Vater ist hier, um Recht zu sprechen, und während er in der großen Halle sitzt, Streitereien schlichtet und Gesuche anhört, ist es Isabel und mir und den Mündeln meines Vaters am Nachmittag erlaubt auszureiten. Wir gehen mit unseren Falken in den großen Mooren, die sich viele Meilen bis hinauf nach Schottland erstrecken, auf die Jagd nach Fasanen und Moorhühnern. Richard und die anderen Jungen werden am Vormittag von ihren Lehrern unterrichtet, doch nach dem Mittagessen dürfen sie mit uns hinaus. Die Jungen sind die Söhne von Adligen, wie etwa Francis Lovell, einige sind die Söhne großer Männer des Nordens, die froh sind über einen Platz im Haushalt meines Vaters, einige sind Cousins und entferntere Verwandte, die ein oder zwei Jahre bei uns bleiben, um zu lernen, wie man herrscht und führt. Robert Brackenbury, unser Nachbar, weicht Richard nicht von der Seite wie ein kleiner Edelknecht seinem Ritter. Richard ist natürlich mein Liebling, schließlich ist er jetzt Bruder des Königs von England. Er ist nicht größer als Isabel, aber unglaublich tapfer, und im Geheimen bewundere ich ihn. Er ist schlank, hat dunkles Haar, und er ist fest entschlossen, ein großer Ritter zu werden. Er kennt alle Geschichten über Camelot und das Rittertum, und manchmal liest er sie mir vor, als wären sie Berichte über wahre Begebenheiten.
    Dann sagt er so ernst zu mir, dass ich nicht an ihm zweifeln kann: «Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als die Ehre eines Ritters, Anne. Ich würde lieber sterben, als Schande über mich zu bringen.»
    Er reitet sein Pony wie bei einem Kavallerieangriff. Er will unbedingt so groß und stark werden wie seine beiden älteren Brüder und bemüht sich nach Kräften, der Beste unter den Mündeln meines Vaters zu sein. Ich verstehe das gut, denn ich weiß, wie es ist, in einer rivalisierenden Familie immer den letzten Platz einzunehmen. Doch ich sage ihm nie, dass ich ihn verstehe. Er besitzt einen starken, reizbaren nordischen Stolz und würde mich hassen, wenn ich es ausspräche. Und auch ich könnte sein Mitgefühl nicht ertragen, weil ich jünger bin als Isabel und nicht so schön, weil ich ein Mädchen bin, wo doch alle auf einen Sohn und Erben gehofft haben. Manche Dinge verschweigt man besser: Richard und ich wissen, dass wir von Größe träumen und dass niemand je von diesen Träumen wissen darf.
    Als wir im Schulzimmer der Griechischlektion von den Jungen beiwohnen, überbringt Margaret uns die Nachricht, dass wir unverzüglich zu unserem Vater kommen sollen. Isabel und ich erschrecken. Vater schickt nie nach uns.
    «Ich nicht?», fragt Richard.
    «Ihr nicht, Euer Gnaden», erwidert Margaret.
    Richard grinst Isabel an. «Ach so», sagt er und nimmt wie wir an, dass wir bei etwas erwischt wurden. «Vielleicht bekommt ihr Schläge.»
    Wenn wir im Norden sind, werden wir gewöhnlich in Ruhe gelassen und sehen Vater und Mutter nur beim Abendessen. Mein Vater hat viel zu tun. Bis vor einem Jahr musste er um die verbleibenden nördlichen Burgen kämpfen, die dem schlafenden König die Stellung hielten. Wenn meine Mutter hierher auf unsere Burgen im Norden kommt, ist sie stets fest entschlossen, alles zu richten, was in ihrer Abwesenheit schiefgegangen ist. Wenn mein werter Vater uns zu sehen wünscht, stecken wir wahrscheinlich in Schwierigkeiten. Was haben wir bloß falsch gemacht?
    Als wir in sein Gemach kommen, sitzt mein Vater am Tisch auf seinem prächtigen Stuhl, groß wie ein Thron. Sein Schreiber legt ihm ein Schriftstück nach dem anderen vor, und mein Vater hat eine Feder in der Hand und versieht jedes mit einem W – für den Earl of Warwick, den höchsten seiner vielen Titel. Ein anderer Schreiber beugt sich mit einer Kerze in der einen und Siegelwachs in der anderen Hand vor und tropft rotes Wachs in einer hübschen Pfütze auf das Dokument, und mein Vater drückt seinen Ring hinein, um es zu siegeln. Es ist wie Zauberei, mittels derer er seine Wünsche wahr werden

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