Dornenschwestern (German Edition)
geblendeter Altardiener an den Anblick einer Festtagsikone. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als dieser Schönheit als Kammerfräulein zu dienen. Und sie mag mich. Ihre Mutter hat mich angelächelt, sie selbst fand mich bezaubernd. Ich könnte platzen vor Stolz, dass sie mich mag, und jubeln, dass sie mich ausgewählt hat. Doch ich bin vorsichtig.
«Was immer du für das Beste hältst, werter Vater», sage ich. Ich senke kurz den Blick auf meine Füße und schaue dann in seine dunklen Augen. «Mögen wir sie jetzt?»
Er lacht kurz auf. «Gott schütze uns! Was für ein Klatsch ist dir denn zu Ohren gekommen? Natürlich lieben und ehren wir sie. Sie ist unsere Königin, die Gemahlin unseres Königs. Unter allen Prinzessinnen der Welt war sie seine erste Wahl. Stell dir das nur vor! Von allen wohlgeborenen Damen in der ganzen Christenheit, die er hätte heiraten können … und doch hat er sie gewählt.» In seinem Tonfall schwingt etwas Hartes und Spöttisches mit. Hinter seinen treuen Worten vernehme ich etwas anderes: einen Hauch von dem, was mir entgegenschlägt, wenn Isabel mich piesackt. «Du bist ein dummes Kind, so etwas zu fragen», sagt er. «Wir haben ihr alle die Treue geschworen. Du selbst hast ihr bei ihrer Krönung die Treue geschworen.»
Isabel nickt mir zu, wie um den Tadel meines Vaters zu bekräftigen. «Sie ist zu jung, um das zu verstehen», versichert sie ihm über meinen Kopf hinweg. «Sie versteht gar nichts.»
Mein hitziges Gemüt lodert auf. «Der König hat doch nicht das getan, was Vater ihm geraten hat! Als Vater ihn auf den Thron gesetzt hat! Vater hätte im Kampf für Edward gegen die böse Königin und den schlafenden König sterben können!»
Darüber muss er wieder lachen. «Aus dem Munde der Unmündigen, in der Tat!» Dann zuckt er die Achseln. «Sei’s drum, ihr geht nicht. Keine von euch wird an den Hof gehen, um unter der Königin zu dienen. Ihr geht mit eurer Mutter nach Warwick Castle. Alles, was ihr wissen müsst, um einen vornehmen Palast zu führen, könnt ihr von ihr lernen. Ich glaube nicht, dass Ihre Gnaden die Königin euch etwas beibringen kann, was eure Mutter nicht seit Kindertagen weiß. Wir waren mit dem Königshaus verwandt, als die Königin noch im Obstgarten von Groby Hall Äpfel gepflückt hat. Eure Mutter ist eine geborene Beauchamp, sie hat in die Familie Neville eingeheiratet, sie weiß alles über das Dasein einer großen Lady von England – gewiss mehr als Elizabeth Woodville», fügt er hinzu.
«Aber Vater …» Isabel ist so betrübt, dass sie es sich nicht verkneifen kann. «Sollten wir der Königin nicht dienen, wenn sie nach uns fragt? Soll ich nicht wenigstens gehen? Anne ist zu jung, aber sollte ich nicht an den Hof gehen?»
Er sieht sie an, als hätte er nur Verachtung für ihre Sehnsucht übrig, sich mitten im Zentrum des Geschehens zu tummeln, am Hof der Königin, im Herzen des Königreiches, wo sie den König jeden Tag sieht, in den königlichen Palästen lebt, wunderschöne Kleider trägt. Dieser Hof ist gerade erst an die Macht gekommen und feiert ausgelassen seinen Triumph. Die Räume sind voller Musik, an den Wänden hängen die schönsten Tapisserien.
«Anne mag jung sein, doch sie urteilt mit einer Reife, die dir fehlt», sagt er kalt. «Widersetzt du dich mir?»
Sie sinkt in einen Knicks und senkt den Kopf. «Nein, werter Vater. Niemals. Natürlich nicht.»
«Ihr könnt gehen», sagt er, als wäre er unser überdrüssig. Wir huschen aus dem Zimmer wie Mäuse, die den Atem einer Katze auf ihren kleinen pelzigen Rücken gespürt haben. Als die Tür sich hinter uns geschlossen hat und wir außer Hörweite in seinem Audienzzimmer stehen, nicke ich Isabel zu und sage: «Siehst du! Ich hatte recht. Wir mögen die Königin nicht.»
Warwick Castle
Frühjahr 1468
W ir mögen die Königin nicht. Schon in den ersten Jahren ihrer Ehe ermuntert sie ihren Gemahl, sich gegen meinen Vater zu wenden, seinen ältesten und besten Freund, den Mann, der ihn zum König gemacht und ihm ein Königreich verschafft hat. Sie nehmen meinem Onkel George das Große Siegel weg und entlassen ihn aus seinem wichtigen Amt als Hoher Lordkanzler, meinen Vater schicken sie als Abgesandten nach Frankreich. Sie treiben ein falsches Spiel mit ihm und schließen hinter seinem Rücken mit dem rivalisierenden Burgund ein Abkommen. Mein Vater ist wütend auf den König und macht die Königin und ihre Familie dafür verantwortlich, weil sie zugunsten ihrer
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