Dornröschengift
ich nicht mehr, was ich will. Manchmal, wenn ich am Strand sitze, dann fühle ich mich plötzlich ganz einsam, alleine und verloren. Irgendwie ist der Himmel hier unendlich weit und ich stelle mir vor, ich könnte auch auf einem anderen Stern leben. Erinnerst du dich, wie ich früher Mam immer gefragt habe: »Woher komme ich eigentlich?« Und sie antwortete: »Du bist von einem der Sterne gefallen, mein Schatz, direkt in meine Arme.« Inzwischen weiß ich, dass sie recht hatte. Warum schreibe ich dir das überhaupt? Ich wollte dir doch von unserer Silvesterfeier erzählen . Um Mitternacht fand die große Verbrüderung statt – Umarmungen, Schwüre: Wir werden immer Freunde bleiben. Tom wa r ziemlich betrunken und am nächsten Morgen hatte er eine n schrecklichen Kater. Seine Kopfschmerzen müssen unerträglich gewesen sein, er ist bis jetzt nicht wieder aufgetaucht. E r fürchtet, wie seine Mutter zu werden, die, aber das erzählst d u besser niemandem, Alkoholikerin ist. Schließlich bin ich bei einem Arzt aufgewachsen, da kenne ich mich mit den Symptomen aus . Manche Leute beginnen ja ein neues Jahr mit guten Vorsätzen . Meines fängt mit Fragen an: Was soll werden im neuen Jahr ? Wer bin ich ? Mann, du überlegst dir jetzt sicher, was ist eigentlich mit meinem Lieblingsbruder los ? Macht er etwa auf deprimiert ? Nein! Das war nur ein kurzer Blick auf die dunkle Seite in mir . Schluss damit ! Ach, da kommt Tom zur Tür rein. Er lässt dich schön grüße n und will wissen, ob wir zum Schwimmen fahren wollen . Klar ! Wir werden einen Wettbewerb starten, wer am längsten unte r Wasser bleiben kann . Ich habe vor zu gewinnen ! Joy to the world ! Grüße mir my good old Europe !
Mike !
Zwei Prinzen
K önnte man doch die Zeit anhalten! Einfach auf die Fernsteuerung drücken und Ende! Doch das war nicht möglich und so veränderte sich die nächs ten Tage das Dorf. Bis auf eine offizielle Versammlung in der Aula, auf der der Di rektor und Frau Mader jede Menge hohle Worte von sich ga ben, war das große Schweigen der Erwachsenen angebrochen, während unter den Schülern Lisas Tod das wichtigste Ge sprächsthema blieb. Die Angst – man konnte sie zwar nicht se hen, aber bei jedem spüren. Und das Rätsel wurde immer größer. Eine Nachbarin von Lisas Eltern hatte die Aussage von Carlotta, Valerie und Ruven bestätigt. Lisa war tatsächlich gegen halb zehn nach Hause gekommen, wie die Ghostriders gesagt hat ten. Die Nachbarin hatte Lisa noch an der Tür gesehen, sie hatte gerade aufgeschlossen und war hineingegangen. Weshalb sie aber noch einmal losgegangen war, blieb allen ein Rätsel. Jamaica war überall und versuchte, wo sie nur konnte, Neuig keiten herauszufinden. Doch die Informationen waren spär lich. Kreislaufversagen infolge einer Überdosis K.-o.-Tropfen, die man in ihrem Blut festgestellt hatte. Das war die Todesursache. »Stell dir vor, sie ist einfach eingeschlafen«, flüsterte Jamaica mir während des Chemieunterrichtes zu. »Einfach eingepennt und nicht mehr aufgewacht. Meinst du, sie hat Drogen genom men? Vielleicht hat sie sich selbst umgebracht. « Ich versuchte die Formeln abzuschreiben, die der Dunkelman n an die Tafel kritzelte, nicht, weil ich sie unbedingt brauchte , sondern einfach, um Jamaicas Fragen auszublenden . Ich wollte mir nicht vorstellen, was mit Lisa passiert war! Ic h wollte an überhaupt nichts mehr denken ! »Hat dein Vater nicht irgendetwas erzählt? « Ich schüttelte den Kopf und gab ihr ein Zeichen, dass sie de n Mund halten sollte . »Kannst du ihn nicht fragen? « »Nein!«, zischte ich . »Was ist mit Tom? « »Mann, Jamaica! « »Holt er dich heute wieder ab? « »Meine Mam besteht darauf. « »Toll! Ach bitte, Sofie! Darf ich mitfahren? « Es sah so komisch aus, wie sie mich aus ihren runden große n Augen anbettelte, dass ich ihr plötzlich nicht mehr böse sei n konnte . »Ich finde ihn einfach extrem cool!«, flüsterte sie. »Vor allem , wenn er deutsch spricht mit diesem süßen Akzent. « Jamaica war so damit beschäftigt, an Tom zu denken, dass si e unwillkürlich einen lauten Seufzer ausstieß. Der Dunkelman n blickte misstrauisch zu uns herüber. Ich starrte schnell auf di e Tafel, während sich Jamaica nicht aus dem Konzept bringe n ließ . »Glaubst du, er würde mich zum Abschlussball begleiten? « »Meinst du das im Ernst?«, entfuhr es mir eine Spur zu laut . »Ich nehme an, die beiden Damen haben etwas sehr Wichtige s zu besprechen!«, ertönte in diesem
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