Dornroeschenmord

Flammen aufgehen, sondern sich von seinem Körperfett genährt und ihn dahinschmelzen lassen.
    Ungefähr fünf Stunden, so schätzten die Sachverständigen, dauerte es, bis ein solcher Brand den Körper verzehrte. Ein langsames, qualvolles Sterben. Ob es sich im Fall Grasser tatsächlich so abgespielt hatte, wurde trotz aller Untersuchungen nie bewiesen. Für ihn, dessen Familie schon im Feuer umgekommen war, hatte sich der Kreis jedoch geschlossen.
    Ein leises Tapsen unterbrach Mandys Gedanken, und sie öffnete die Augen. Mephisto, der graue Pudel, kam hinter einem der Sträucher zum Vorschein. Nach Grassers Tod hatte sie ihn zu sich genommen. Wenn er sie manchmal aus seinen dunklen Augen ansah, hatte sie das Gefühl, als könne sie darin die Vergangenheit erblicken.
    Daß Menschen die Macht hatten, das Schicksal anderer zu beeinflussen, das wußte Mandy. Sie würde sich immer an ihre Schuld gegenüber Grasser erinnern. Aber das wollte sie für sich behalten – es würde sie ohnehin niemand verstehen.

EPILOG
    In einem der alten Häuser, die hoch oben an den Hängen des walisischen Bergdorfes Pontrhydyfen lehnten, kniete Gwendolyn auf dem Holzboden. Endlich war sie heimgekehrt. Liza, die alt gewordene Amme, saß im Schaukelstuhl und blickte stumm ins Kaminfeuer. Ihre Hand streichelte unablässig über Gwendolyns ergrautes Haar. Sehnsüchtig wie ein Kind schmiegte sich diese in die vertraute runzlige Hand der alten Frau, während sie mit hoher brüchiger Stimme den Refrain eines Liedes wiederholte:
     
    »Singing oh willow waly
    by the tree that weeps with me,
    singing o willow waly
    till my lover returns to me …«

Ich danke Vanessa Gleede, Heribert Liepertz, Sigrun Mühlfeld, Heinrich Mühlfeld, Miriam Nyary, Daniela Papadopoulos, Jörg Rihl, Gisela und Kurt Siekmann, Dr. Carsten Steinmann, Dr. Susanne Völcker, Wolfgang Wagner und Gabriele Werth für hilfreiche Tips und liebevolle Unterstützung.
    Ferner bedanke ich mich besonders bei den vier Personen, die mir mehr Inspiration waren, als sie sich vorstellen können …
     
    Anna Kalman