Double Cross. Falsches Spiel
ist nicht der, für den du ihn hältst, Jenny! Vergiß das Ganze, Jenny. Schlag ihn dir aus dem Kopf. Du mußt mir vertrauen, Kleines. Er ist nicht der richtige Mann für dich.«
Jenny riß sich von Mary los, trat einen Schritt zurück und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Doch, er ist der Richtige, Mary. Ich liebe ihn. Du empfindest deine Ehe mit Sean schon so lange wie ein Gefängnis, daß du ganz vergessen hast, was Liebe ist.«
Dann schnappte sie ihren Mantel, schoß zur Haustür hinaus und knallte sie hinter sich zu. Mary eilte zum Fenster und sah ihr nach, wie sie im Sturm davonradelte.
Regen klatschte Jenny ins Gesicht, als sie durch das hügelige Gelände zurück ins Dorf fuhr. Sie hatte sich vorgenommen, nicht zu weinen, aber sie konnte an ihrem Vorsatz nicht festhalten. Tränen vermischten sich mit den Regentropfen und liefen ihr über das Gesicht. Der Dorfladen und der Pub hatten bereits geschlossen, und alle Häuser waren verdunkelt. Jennys Taschenlampe, die vorn im Korb lag, warf einen blaßgelben Strahl in die tiefschwarze Nacht. Das Licht reichte kaum aus, um den Weg zu erkennen. Sie radelte durch das Dorf und fuhr in Richtung ihres Cottages.
Sie war wütend auf Mary. Wie konnte sie es wagen, sich zwischen sie und James zu stellen? Und was hatte sie gemeint, als sie gesagt hatte: Er ist nicht der, für den du ihn hältst... Sie war aber auch auf sich selber wütend. Sie fühlte sich schrecklich wegen der Beleidigung, die sie Mary an den Kopf geworfen hatte, bevor sie aus dem Haus gerannt war. Sie hatten noch nie gestritten. Morgen früh, wenn sich die Lage beruhigt hatte, würde sie wieder hingehen und sich entschuldigen.
Endlich zeichnete sich das Cottage gegen den Himmel ab. Sie stieg am Tor ab, schob das Fahrrad den Fußweg hinauf und lehnte es an die Hauswand. Ihr Vater trat heraus und blieb, sich die Hände an einem Lumpen abwischend, in der Tür stehen.
Sein Gesicht war immer noch übel zugerichtet von dem Kampf. Jenny wollte an ihm vorbeihuschen, doch seine Hand schloß sich mit eisernem Griff um ihren Arm.
»Bist du wieder bei ihm gewesen?«
»Nein, Papa.« Sie schrie vor Schmerz. »Bitte, laß los, du tust mir weh!«
Er hob die andere Hand, um sie zu schlagen, und sein häßliches, verschwollenes Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Sag mir die Wahrheit, Jenny! Bist du wieder bei ihm gewesen?«
»Nein, ich schwöre es«, schrie sie und hob den Arm, um sich vor dem Schlag zu schützen, den sie jede Sekunde erwartete.
»Bitte, Papa, schlag mich nicht! Ich sage die Wahrheit!«
Martin Colville lockerte seinen Griff. »Geh rein, und mach mir etwas zu essen.«
Sie wollte schreien: Mach dir dein Abendessen doch zur Abwechslung mal selbst! Aber sie wußte, wohin das geführt hätte. Sie sah ihm ins Gesicht, und für einen Moment wünschte sie sich, James hätte ihn getötet. Sie ging ins Haus, zog den triefenden Mantel aus und machte sich in der Küche an die Arbeit.
49
London
Clive Roach wußte sofort, daß er Probleme bekommen würde, als Rudolf den überfüllten Wagen bestieg. Alles war in Ordnung, solange Rudolf in seinem Abteil sitzenblieb. Wenn er jedoch die Toilette, den Speisewagen oder einen anderen Wagen aufsuchte, würde es schwierig werden. Die Korridore waren mit Reisenden verstopft - manche standen, andere saßen und versuchten vergeblich, ein Nickerchen zu machen. Es war eine Qual, durch den Zug zu gehen. Um sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen, mußte man sich mühsam an den Leuten vorbeiquetschen und unentwegt Entschuldigungen murmeln.
Jemandem unbemerkt zu folgen, war unter diesen Bedingungen schwierig, wahrscheinlich sogar unmöglich, wenn der Agent gut war. Und nach Roachs bisherigen Erfahrungen war Rudolf gut.
Er schöpfte Verdacht, als Rudolf eine Hand gegen den Magen preßte, das Abteil verließ und sich, während der Zug noch in der Euston Station auf dem Bahnsteig stand, durch den überfüllten Gang zwängte. Rudolf war klein, höchstens einsfünfundsechzig, und bald verschwand sein Kopf in der Menge. Roach folgte ihm ein paar Schritte, was ihm Proteste und entnervtes Stöhnen anderer Fahrgäste eintrug. Er wollte einen Sicherheitsabstand wahren. Rudolf hatte heute schon mehrmals kehrtgemacht, und Roach fürchtete, daß er sein Gesicht gesehen hatte. Der Gang war wegen der Verdunkelungsvorschriften nur schwach beleuchtet und schon jetzt mit einem Nebel aus Zigarettenqualm erfüllt. Roach blieb in Deckung und sah, wie Rudolf zweimal an die
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