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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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diese Möglichkeit nicht. Damit die Nachricht authentisch wirkte, erkundete Vicary den Luftwaffenstützpunkt so, wie ein Spion es getan hätte. Er nahm den Zug von London aus und kam wegen Verspätungen erst bei Einbruch der Dunkelheit an. Ein Militärpolizist stellte ihn auf einem Hügel außerhalb des Stützpunkts und verlangte seinen Ausweis. Vicary konnte den Flugplatz in der Ebene liegen sehen, so wie ihn auch ein Spion gesehen hätte. Er sah eine Ansammlung vo n Baracken und ein paar Flugzeuge neben der grasbewachsenen Rollbahn.
    Auf der Rückfahrt nach London faßte Vicary seine Beobachtungen in einem kurzen Bericht zusammen. Er schrieb, daß das Licht schlecht gewesen sei, weil sein Zug sich verspätet habe, und daß er wegen eines Militärpolizisten nicht näher an das Objekt herangekommen sei. Am späten Abend zwang er Becker, den Bericht selbst durchzugeben, denn jeder Spion hatte beim Morsen eine unverwechselbare Handschrift, die der Funker in Deutschland erkennen konnte. Hamburg gratulierte ihm und verabschiedete sich.
    Vicary setzte sich mit der Royal Air Force in Verbindung und erläuterte ihnen die Situation. Die echten Spitfires wurden daraufhin auf einen anderen Flugplatz verlegt, das Personal evakuiert. Dann wurden mehrere schwerbeschädigte Kampfflugzeuge aufgetankt und neben der Rollbahn geparkt. In derselben Nacht kam die deutsche Luftwaffe. Die Flugzeug-Attrappen gingen in Flammen auf, und sicherlich nahmen die Besatzungen der Heinkel-Bomber an, daß sie Volltreffer gelandet hatten. Am nächsten Tag bat die Abwehr Becker, nach Kent zurückzukehren und sich ein Bild von den Schäden zu machen. Wieder fuhr Vicary hin, schrieb einen Bericht und veranlaßte Becker, ihn durchzugeben.

    Die Abwehr war hingerissen. Becker war ein Held, ein Topspion, und die Royal Air Force brauchte dafür nur einen Tag lang die Rollbahn auszubessern und die verkohlten Wracks der Spitfires wegzuräumen.
    Beckers Führungsoffiziere waren so begeistert, daß sie ihn beauftragten, weitere Agenten anzuwerben. Und das tat er denn auch - genauer gesagt, Vicary tat es. Ende 1940 verfügte Karl Becker über einen Ring aus zwölf Agenten, die teils ihm Bericht erstatteten, teils ihre Resultate direkt nach Hamburg übermittelten. Alle waren frei erfunden, pure Phantasieprodukte von Vicary. Er kümmerte sich um jeden Aspekt ihres Lebens - sie verliebten sich, hatten Affären, klagten wegen der Bezahlung, verloren Häuser und Freunde bei den Luftangriffen.
    Vicary erlaubte sich sogar, ein paar von ihnen zu verhaften.
    Kein Agentenring in Feindesland war absolut sicher, und die Abwehr wäre mißtrauisch geworden, wenn sie keinen ihrer Agenten verloren hätte. Es war eine knifflige und anstrengende Arbeit, bei der die banalste Kleinigkeit beachtet werden mußte, doch Vicary fand sie aufregend und genoß jede Minute.
    Der Aufzug war wieder einmal außer Betrieb, als Vicary Boothbys Höhle verließ, und so mußte er die Treppe nehmen und zu Fuß in die Registratur hinuntergehen. Beim Öffnen der Tür schlug ihm der Geruch von vergilbtem Papier, Staub und Schimmel entgegen, der ihn an die Bibliothek in der Universität erinnerte. Akten standen in offenen Regalen oder Schränken und stapelten sich auf dem Steinfußboden, und überall türmten sich Papiere, die darauf warteten, abgeheftet zu werden. Drei hübsche Mädchen - die Nachtschicht - huschten leise umher und sprachen über verwaltungtechnische Dinge, die Vicary nicht verstand. Die jungen Frauen, im Haus die Registratur-Miezen genannt, wirkten in dieser düsteren Umgebung merkwürdig deplaziert. Beinahe erwartete Vicary, hinter der nächsten Ecke ein paar Mönche vorzufinden, die bei Kerzenlicht alte Handschriften lasen.

    Er zitterte. Mein Gott, hier war es kalt wie in einer Gruft.
    Hätte er doch nur einen Pullover angezogen oder etwas Warmes zum Trinken mitgebracht. Aber hier war alles dokumentiert - die gesamte geheime Geschichte des britischen Nachrichtendienstes. Als Vicary zwischen den Regalen umherwanderte, kam ihm der Gedanke, daß hier noch lange nach seinem Ausscheiden aus dem MI5 auch Akten über seine Tätigkeit stehen würden. Er war sich nicht sicher, ob er diesen Gedanken tröstlich oder unangenehm finden sollte.
    Vicary dachte an Boothbys abschätzige Bemerkungen, und ein kalter Angstschauder überfiel ihn. Er war ein verdammt guter Double-Cross-Offizier - nicht einmal Boothby konnte das bestreiten. Und er war überzeugt, daß er als Historiker für diese Art von

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