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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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sie wußte, daß es Jenny sehr gefiel.
    Gleich darauf kochte der Eintopf und erfüllte das Haus mit einem köstlichen Duft. Jenny schloß müde die Augen und gab sich den angenehmen Empfindungen hin - dem einladenden Duft des Lammeintopfs, der Wärme des Kaminfeuers, dem lieblichen Klang von Marys Stimme. Wind und Regen schlugen gegen das Fenster neben ihrem Kopf. Es war ein wunderbares Gefühl, bei diesem scheußlichen Wetter in einem friedlichen Haus zu sein. Wenn es in ihrem Leben doch immer so wäre.
    Mary brachte ein Tablett mit einem Teller Eintopf, einem Stück harten Brot und einem dampfenden Becher Tee. »Setz dich hin, Jenny«, sagte sie, doch sie erhielt keine Antwort. Sie stellte das Tablett ab, deckte das Mädchen zusätzlich mit einer Steppdecke zu und ließ es schlafen.
    Mary las neben dem Kamin, als die Tür aufging und Dogherty ins Zimmer trat. Sie sah ihn schweigend an. Er deutete auf den Sessel, in dem Jenny schlief, und fragte: »Wieso ist sie hier? Hat ihr Vater sie wieder geschlagen?«
    »Pst«, zischte Mary. »Du weckst sie.«
    Sie stand auf und führte ihn in die Küche. Sie räumte am Tisch eine Ecke für ihn frei. Dogherty goß sich Tee in einen Becher und nahm Platz.
    »Weißt du«, sagte er, »man müßte es Martin Colville mit gleicher Münze heimzahlen. Ich wäre dafür der richtige Mann.«

    »Ich bitte dich, Sean, er ist halb so alt und doppelt so groß wie du.«
    »Was heißt das schon, Mary?«
    »Das heißt, daß du verletzt werden könntest. Und das hätte uns gerade noch gefehlt, daß die Polizei wegen einer dummen Schlägerei auf dich aufmerksam wird. Jetzt iß und sei still. Du weckst das Kind auf.«
    Sean gehorchte und begann zu essen. Er schob einen Löffel Eintopf in den Mund und verzog das Gesicht. »Mein Gott, das Essen ist ja eiskalt.«
    »Das hast du davon, wenn du so spät nach Hause kommst.
    Wo bist du gewesen, Sean?«
    Ohne den Kopf vom Teller zu heben, warf er ihr unter den Brauen hervor einen frostigen Blick zu. »In der Scheune«, sagte er unwirsch.
    »Sind wir wieder am Funkgerät gewesen und haben auf Instruktionen aus Berlin gewartet?« zischte Mary sarkastisch.
    »Später, Mary«, knurrte er.
    »Begreifst du denn nicht, daß du nur deine Zeit verschwendest, Sean? Und obendrein deinen Hals riskierst?
    »Ich sagte, später!«
    »Dummer alter Esel!«
    »Das reicht, Mary!«
    »Vielleicht haben die Jungs in Berlin eines Tages ja einen richtigen Auftrag für dich, Sean. Dann kannst du endlich deinem Haß Luft machen, und wir können in den Jahren, die uns noch bleiben, ein normales Leben führen.« Sie stand auf und sah ihn kopfschüttelnd an. »Ich bin müde, Sean. Ich geh ins Bett. Leg noch etwas Holz nach, damit es Jenny warm genug hat. Und gib acht, daß du sie nicht weckst. Sie hat heute abend viel durchgemacht.«
    Mary stieg die Treppe hinauf ins Schlafzimmer und schloß leise die Tür hinter sich. Kaum war sie fort, ging Sean zum Schrank und nahm eine Flasche Bushmills heraus. Whisky war in diesen Jahren wie flüssiges Gold, doch heute war ein besonderer Abend, und so goß er sich großzügig ein. »Vielleicht werden die Jungs in Berlin genau das tun, Mary Dogherty«, sagte er und erhob das Glas zu einem stillen Toast. »Und vielleicht haben sie es sogar schon getan.«

9
    London

    Alfred Vicary hatte tatsächlich zu einer List greifen müssen, um im Ersten Weltkrieg einen Posten beim militärischen Nachrichtendienst zu bekommen. Er war damals einundzwanzig Jahre alt und stand vor dem Abschluß seines Studiums in Cambridge. Überzeugt, daß es mit England bergab gehe, war er der Meinung, daß jeder gute Mann gebraucht werde. Zur Infanterie wollte er unter keinen Umständen. Er wußte aus der Geschichte, daß bei der Infanterie keine Lorbeeren zu holen waren. Dort erwarteten einen nur Langeweile, Entbehrung und sehr wahrscheinlich der Tod oder zumindest eine schwere Verwundung.
    Sein bester Freund, ein brillanter Philosophiestudent namens Brendan Evans, hatte die rettende Idee. Brendan hatte gehört, daß die Armee gerade ein Nachrichtenkorps aufbaute. Bewerber mußten lediglich gute Deutsch-und Französischkenntnisse vorweisen, ausgedehnte Reisen durch Europa unternommen haben, ein Motorrad fahren und reparieren können und ein sehr gutes Sehvermögen besitzen. Brendan hatte sich an das Kriegsministerium gewandt und für den nächsten Morgen einen Termin vereinbart.
    Vicary war deprimiert. Er würde den Anforderungen nicht genügen. Sein Deutsch war gut, wenn

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