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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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heißt er?« fragte Jago.
    »Kurt Vogel.«
    Jagos Gesicht verfinsterte sich. »Herrgott noch mal! Ich schau nach. Warten Sie hier, Alfred, ich bin gleich zurück.«
    »Ich komme mit«, sagte Vicary. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    »Nein, nein«, beharrte Jago. »Kommt nicht in Frage. Ich helfe Ihnen nicht bei der Suche nach Ihren Spionen, und Sie helfen mir nicht bei der Suche nach meinen Akten.« Er lachte über seinen Scherz. »Warten Sie hier, und machen Sie es sich bequem. Ich bin gleich zurück.«
    Das sagst du jetzt schon das zweite Mal, dachte Vicary. Ich bin gleich zurück. Vicary wußte, daß Jago ein Ordnungsfanatiker war, aber ein fehlendes Dossier über einen Abwehr-Offizier war doch kein Grund, in der Behörde den Notstand auszurufen. Ständig gingen Akten verloren oder wurden falsch abgelegt. Einmal hatte Boothby Alarm geschlagen, weil ihm eine ganze Tasche voller wichtiger Akten abhanden gekommen war. Im Haus machte die Geschichte die Runde, daß die Tasche sich eine Woche später in der Wohnung seiner Geliebten wiedergefunden habe.
    Einen Augenblick später kam Jago in das Büro zurückgeeilt, eine Rauchwolke hinter sich lassend wie eine Lokomotive. Er reichte Vicary das Dossier und setzte sich hinter den Schreibtisch.
    »Wie ich es mir gedacht hatte«, sagte Jago, unsinnigerweise stolz auf sich. »Sie war im Regal. Eines der Mädchen muß sie in einem falschen Ordner abgelegt haben. Das passiert ständig.«
    Vicary hörte sich die dubiose Entschuldigung an und runzelte die Stirn. »Interessant - mir ist das noch nie passiert.«
    »Vielleicht hatten Sie einfach nur Glück. Durch unsere Hände gehen hier unten jede Woche Tausende von Akten. Wir könnten mehr Leute brauchen. Ich habe mich deswegen an den Generaldirektor gewandt, aber der sagt nur, daß wir unseren Etat ausgeschöpft haben und niemanden mehr bekommen.«
    Jagos Pfeife war ausgegangen, und er zündete sie umständlich wieder an. Vicarys Augen tränten, als der Glaskasten sich abermals mit Rauch füllte. Nicholas Jago war ein tüchtiger und durch und durch ehrlicher Mann, aber Vicary glaubte kein Wort von seiner Geschichte. Er war davon überzeugt, daß irgend jemand die Akte kürzlich aus dem Regal genommen und nicht wieder zurückgelegt hatte. Und nach Jagos Gesichtsausdruck zu urteilen, als er ihn nach der Akte gefragt hatte, war dieser Jemand ein hohes Tier.
    Vicary wedelte mit der Akte den Rauch zur Seite. »Wer hatte Vogels Akte zuletzt?«
    »Kommen Sie, Alfred, Sie wissen doch, daß ich Ihnen das nicht sagen darf.«
    Das entsprach der Wahrheit. Normale Sterbliche wie Vicary mußten den Empfang von Akten quittieren. Die Registratur führte genau darüber Buch, wer welche Akten zu welchem Zeitpunkt herausnahm. Einsicht in diese Liste hatten nur Mitarbeiter der Registratur und die Abteilungsleiter. Eine Handvoll sehr hoher Beamter konnte Akten mitnehmen, ohne zu quittieren, und Vicary vermutete, daß einer von diesen Leuten Vogels Akte herausgenommen hatte.
    »Ich brauche Boothby nur um die Erlaubnis zu bitten, die Liste einzusehen, und er wird sie mir geben«, sagte Vicary.
    »Warum lassen Sie mich nicht gleich einen Blick hineinwerfen, dann sparen wir Zeit.«
    »Vielleicht gibt er Ihnen die Erlaubnis, vielleicht auch nicht.«
    »Was meinen Sie damit, Nicholas?«
    »Hören Sie, Alfred, alter Freund, ich habe nicht die geringste Lust, Ihretwegen wieder Ärger mit Boothby zu kriegen.« Jago stopfte von neuem seine Pfeife und fischte ein Streichholz aus der Schachtel. Dann klemmte er das Ding zwischen die Zähne, so daß der Pfeifenkopf bei jedem Wort hüpfte. »Reden Sie mit Boothby. Wenn er ja sagt, können Sie die Liste einsehen.«
    Vicary ergriff Vogels Akte und verließ den verrauchten Glaskasten. Jago blieb sitzen und versuchte, den billigen Tabak in Brand zu stecken, wobei das Streichholz bei jedem Zug aufloderte. Im Weggehen warf Vicary noch einen letzten Blick zurück. Jago sah aus wie ein Leuchtturm im Nebel.

    Auf dem Weg in sein Büro machte Vicary einen Abstecher in die Kantine. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal gegessen hatte und kam fast um vor Hunger. Er sehnte sich nicht mehr nach erlesenen Speisen. Essen war für ihn zu einer pragmatischen Angelegenheit geworden. Er aß, weil er essen mußte, nicht zum Vergnügen. Mit dem Essen verhielt es sich genauso wie mit einem Gang durch London bei Nacht - man mußte beides schnell und möglichst unbeschadet hinter sich bringen. Er erinnerte sich an

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