Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Anzeichen für militärische Aktivitäten Ausschau hielt und Küstenbefestigungen fotografierte. Seine Informationen spielte er einem Kontaktmann der Abwehr in London zu, der sie wiederum nach Berlin weiterleitete. Dogherty hielt seine Arbeit für sehr gefährlich und genoß jede Minute.
    Mary verabscheute sie. Sie fürchtete, Sean könnte erwischt werden. Jeder Brite hielt nach Spionen Ausschau. Es grenzte schon an eine nationale Hysterie. Der kleinste Fehler, und Sean würde verhaftet werden. Nach dem neuen Gesetz von 1940 stand auf Spionage nur eine Strafe: die Todesstrafe. Mary hatte in der Zeitung von Spionen gelesen - von den Hinrichtungen in Wandsworth und Pentonville -, und jeder Bericht ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Eines Tages, so fürchtete sie, würde sie von der Hinric htung ihres Mannes lesen.
    Inzwischen prasselte der Regen noch heftiger, und der Wind blies so ungestüm gegen das kleine Haus, daß Mary Angst bekam, es könnte einstürzen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie allein auf der heruntergekommenen alten Farm leben müßte. Es wäre schrecklich. Schaudernd wich sie vom Fenster zurück und trat näher an den Kamin.
    Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wenn sie ihm Kinder hätte schenken können. Sie verscheuchte den Gedanken aus ihrem Kopf. Zu lange hatte sie sich sinnlos gequält. Wozu an alten Geschichten rühren, die nicht zu ändern waren? Sean war so, wie er war, und sie konnte ihn nicht mehr ändern.
    Oh Sean, dachte sie, was um alles in der Welt ist aus uns geworden?
    Es klopfte an der Tür. Vor Schreck schüttete sich Mary Tee über die Schürze. Es war sonst gar nicht Seans Art, sich auszusperren. Sie stellte den Becher auf dem Fensterbrett ab und eilte zur Tür, bereit, ihn anzuschreien, weil er ohne Schlüssel aus dem Haus gegangen war. Sie riß die Tür auf, und vor ihr stand Jenny Colville, ein junges Mädchen, das am anderen Ende des Dorfes wohnte. Sie stand im Regen, eine abgetragene Öljacke über den knochigen Schultern. Sie trug keinen Hut, und das Schulterlange, nasse Haar umrahmte ein kantiges Gesicht, das eines Tages noch sehr hübsch werden konnte.
    Mary sah ihr an, daß sie geweint hatte.
    »Was ist los? Hat dich dein Vater wieder geschlagen, mein Kind? Ist er betrunken?«
    Jenny nickte und brach in Tränen aus.
    »Komm herein ins Trockene«, sagte Mary, »In so einer Nacht holst du dir draußen den Tod.«

    Jenny trat ein. Mary spähte in den Vorgarten und suchte nach Jennys Fahrrad. Es war nicht da. Jenny war also den ganzen Weg vom Cottage der Colvilles hierher zu Fuß gegangen, weit über eine Meile.
    Mary schloß die Tür. »Zieh die Sachen aus. Die triefen ja vor Nässe. Du kannst einen Morgenmantel haben, bis sie trocken sind.«
    Mary verschwand im Schlafzimmer. Jenny tat, wie ihr geheißen. Erschöpft streifte sie die Öljacke von den Schultern und ließ sie zu Boden gleiten. Dann schälte sie sich unter Ächzen und Stöhnen aus dem dicken Wollpullover und warf ihn neben die Jacke.
    Mary kam mit dem Morgenmantel zurück. »Zieh auch die übrigen Sachen aus, junge Dame«, sagte sie liebevoll mit gespieltem Zorn in der Stimme.
    »Aber was ist mit Sean?« Jenny war ein sehr schamhaftes und schüchternes Mädchen.
    »Er ist draußen und flickt ein Loch in seinem verwünschten Zaun«, log Mary.
    »Bei dem Wetter?« rief Jenny in ihrem harten Norfolker Akzent und gewann etwas von ihrer gewohnten guten Laune zurück. Mary staunte immer wieder über die Unverwüstlichkeit von Kindern. »Ist der bekloppt, Mary?«
    »Ich habe schon immer gewußt, daß du ein kluges Kind bist.
    Jetzt aber runter mit den übrigen nassen Sachen.«
    Jenny zog Hose und Unterhemd aus. Sie kleidete sich gern wie ein Junge, mehr noch als andere Mädchen auf dem Land.
    Eine Gänsehaut überzog ihren milchweißen Körper. Sie konnte von Glück sagen, wenn sie keine schwere Erkältung bekam.
    Mary half ihr in den Morgenrock und schlang ihn fest um sie.
    »Besser so?«
    »Ja danke, Mary.« Jenny begann wieder zu weinen. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich anfangen würde.«
    Mary zog sie an sich. »Ich bin immer für dich da, Jenny.«
    Jenny ließ sich in den alten Polstersessel neben dem Kamin fallen und deckte sich mit einer muffigen Decke zu. Sie zog die Füße unter den Körper wie eine Katze, und schon bald hörte sie auf zu zittern. Ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit durchströmte sie. Mary stand am Herd und sang ein schönes irisches Liebeslied, von dem

Weitere Kostenlose Bücher