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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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trank, las die Zeitungen, ging zur Toilette und trank weiter. Es muß sechs oder so gewesen sein, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Ich sah auf. Elster stand neben mir. Richard Elster, der neue Bibliothekar des Instituts, der Mann, der für das verantwortlich war, was bald die größte Sammlung für sexualwissenschaftliche Literatur – und Erotika – sein würde, größer noch als die des British Museum und des Vatikans. »Hallo, John«, sagte er, »wo warst du denn?«
    Ich gab ihm keine Antwort.
»Ich hab Bella gefragt, und sie sagte, du wärst krank.«
Ich spürte Ärger in mir aufsteigen. »Wen?«
»Bella. Mrs. Matthews. Sie sagte, du hättest eine Grippe.« »Ich habe keine Grippe.«
Der Barmann unterbrach uns mit der Frage, was Elster trinken wolle, und Elster bestellte ein Bier und wandte sich wieder zu mir. »Ist alles in Ordnung? Bestimmt? Weil ich nämlich Gerüchte gehört habe, über neulich abend – hatte das was mit dir und deiner Frau zutun?«
    Er fischte. Er hatte keine Ahnung. Keiner von uns hätte auch nur ein einziges Wort gesagt, nicht einmal unter Androhung des Todes. Dessen war ich sicher. Absolut. Und dennoch spürte ich, wie sich etwas in mir Zusammenkrampf te.
    »Wie geht es ihr überhaupt? Grüße sie von mir und sag ihr, daß es Claudette und unserer kleinen Sally prima geht. Weißt du schon, daß Claudette wieder schwanger ist?«
    »Es geht ihr gut«, sagte ich.
    An der Tür gab es Bewegung, Gäste kamen und gingen, die Jukebox erwachte mit dem Lied einer hirnlosen Sängerin zum Leben – sie trällerte etwas von Liebesnestern –, und ich winkte den Barmann herbei. »Wieviel bin ich schuldig?« fragte ich.
    »Du willst schon gehen?« Elsters Mund bekam etwas Verkniffenes. Da war Enttäuschung und noch etwas anderes. Streitlust. Er erhob die Stimme. »Denn ich bin gerade erst gekommen, und wir sind doch jetzt Kollegen, oder?« Er beugte sich über meine Schulter, während ich das Wechselgeld einsammelte, er rückte mir zu dicht auf den Leib, er bedrängte mich, und ich wußte nicht, warum. Und dann sprach er es aus: »Geheimnisse, stimmt’s? Was geschieht hinter den verschlossenen Türen? Ich schwöre, ich werde kein Sterbenswörtchen verraten.«
    Ich hatte den ganzen Tag getrunken, doch jetzt war ich mit einem Schlag nüchtern. Ich stand auf – er war ein kleiner Mann, sein Kopf war auf Höhe meiner Schultern –, und vielleicht rempelte ich ihn an, nur ein bißchen, aber wenn es so war, dann war es rein versehentlich. »Ich muß gehen«, sagte ich.
    »Wohin? Zu einem leeren Haus? Was ist los, John?«
    Ich stand an der Theke und sah hinab in seine stichelnden Augen. Elster war in jeder Hinsicht klein, aber dennoch gefährlich. Meine Stimme war belegt. »Nichts«, sagte ich und schob mich an ihm vorbei.
    »Ich kenne dich!« rief er mir nach. »Ich weiß, was du so machst!«
    Ich bin kein gewalttätiger Mensch. Ganz im Gegenteil – Iris sagt immer, daß ich mir viel zuviel gefallen lasse, und wahrscheinlich hat sie damit recht. Aber nicht an jenem Abend. An jenem Abend war es anders. Es war, als stünde alles, was ich besaß oder je gewollt hatte, auf dem Spiel – Prok, Iris, meine Karriere, mein Sohn –, und ich verlor die Beherrschung. Ich war auf dem Weg zur Tür, Gesichter starrten mich an, Studenten, irgendwelche anderen Gäste, Frauen, die vergaßen, das Glas abzusetzen, als ich herumfuhr und Elster an den Aufschlägen seines Jacketts packte. Er erbleichte, seine Augen sanken ein. »He«, rief der Barmann, »lassen Sie das!«
    Ich spürte, daß Elster den Boden unter den Füßen verlor. Meine Hände zitterten. »Du kennst mich nicht«, sagte ich, und meine Stimme war jetzt ganz ruhig. »Und du wirst mich nie kennen.«
Am nächsten Morgen ging ich zur Arbeit. Mrs. Matthews versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, warf mir aber unwillkürlich einen Blick zu, dessen Ausdruck irgendwo zwischen Verblüffung und Erleichterung lag, und als ich an Proks Büro vorbeiging, blickte er auf und sah mich ruhig an, bevor er sich räusperte und sagte: »Ich brauche diese Tabellen, Milk. Sobald du Zeit hast.«
    Ich hätte sagen können: Du kannst dir deine Tabellen sonstwohin stecken. Ich hätte sagen können: Ich hab’s satt. Ich hab die Schnauze voll. Ich kündige. Doch ich erwiderte nur seinen Blick, gerade lange genug, daß er merkte, was ich fühlte, und sagte dann: »Ja« – mit einem langen, beschwichtigenden Ausatmen –, »ja, ich werde mich gleich daranmachen.«
    Ich

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