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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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mitkommen.«
    Die Fahrt nach Michigan City war ereignislos und unterschied sich in nichts von den tausend anderen Fahrten, die Prok und ich gemacht hatten: Er lenkte, und saß ich auf dem Beifahrersitz, starrte durch die Windschutzscheibe und gab die Richtung an, denn er verlor sich so sehr in dem, was er sagte, daß er die Abzweigung nach links oder die wichtige Kreuzung, nach der wir suchten, glatt verpaßte und hundert Meter weiter unter Lebensgefahr für uns beide wenden mußte. Prok wurde langsam alt, er achtete weniger auf Einzelheiten, und sein Fahrstil hatte gelitten. Natürlich wäre es ihm niemals eingefallen, mich ans Steuer zu lassen, jedenfalls nicht, solange er nicht bewußtlos war. Was noch? Es war Frühling, wieder mal Frühling. Die Sonne schien ungehindert, und überall platzten grüne Knospen auf. Wir kurbelten die Fenster hinunter, um diese Herrlichkeit aufzusaugen.
    Wir sprachen nicht über Iris, und doch war sie den ganzen Weg bei uns – für Prok nur ein weiteres Hindernis, für mich Anfang und Ende von allem. Ich hatte immer wieder angerufen, aber sie kam nicht ans Telefon, und die Stimme ihrer Mutter hätte einen Eisbrecher leckgeschlagen. Ich wußte nicht, was sie von mir erwartete. Ich wußte nicht, ob dies das Ende war oder nicht, ob sie sich scheiden lassen wollte und man mir meinen Sohn wegnehmen würde – und meinen Job. Prok duldete keine Geschiedenen unter seinen Mitarbeitern – nicht einmal Wiederverheiratete. Das war die Regel, schlicht und unumstößlich.
    Doch wir redeten über Elster. »Ich will nicht hinter seinem Rükken schlecht über ihn sprechen«, sagte ich, »aber ich glaube, es war ein Fehler, diesen Mann einzustellen. Ganz gleich, in welcher Position. Aber auf jeden Fall nicht als Bibliothekar, wo er Zugang zu ... Na ja, du weißt, was ich meine.«
    Prok wußte es nicht, und er fragte mich Stunde um Stunde aus. Seine Augen waren kalt und hart. Sechsmal ließ er mich alle Einzelheiten schildern – »Fred Skittering? Der Reporter? Und Elster hat euch miteinander bekannt gemacht? Wann war das?« –, und er stellte noch immer Fragen, brütete noch immer zornig über diesen Verräter in unserer Mitte, als wir vor Iris’ Elternhaus angekommen waren. Es war ein bescheidenes Haus in einer Straße mit bescheidenen Häusern: zwei Stockwerke, Roststreifen unter der Regenrinne und ein verbeulter Pontiac in der Einfahrt. »Das ist es also?« fragte er und ließ einen anderen Wagen vorbei, bevor er rückwärts einparkte.
    »Ja«, sagte ich mit einem flauen Gefühl im Magen, »das weiße Haus hier, Nummer 14.«
Er stellte den Motor ab und wandte sich zu mir. »Wie heißt Iris’ Mutter noch mal?«
»Deirdre. Sie ist irischer Abstammung.«
»Richtig. Irisch. Und der Vater?«
Ich sah auf meine Uhr. »Frank«, sagte ich. »Aber der wird wohl noch auf der Arbeit sein.«
Und dann standen wir vor der Tür. Prok fuhr sich mit der Hand durchs Haar, ich läutete, und hinter dem Haus begann der Hund zu bellen – ein Sheltie namens Bug, den Iris’ Vater bei jeder Gelegenheit Bugger rief. Man hörte Schritte, das Kratzen von Hundekrallen auf nacktem Holzboden, noch mehr Gebell, und ich versuchte, mich zu fassen, als Iris’ Mutter die Tür öffnete und mich mit einem Blick aus Eisen durchbohrte, während der Hund winselnd an mir hochsprang. »Ah, hallo«, sagte ich und probierte den Klang ihres Namens aus, »hallo, Deirdre. Ach ja, das ist Dr. Kinsey, mein ... tja, mein Chef ...«
In diesem Augenblick veränderte sich alles. Ein Kilkenny-Lächeln erblühte auf ihrem Gesicht, und sie öffnete die Tür weit. »O ja, natürlich«, sagte sie. »Ich hätte Sie überall erkannt. Bitte, kommt doch herein, bitte.«
Ich trat ein und erstarrte: Iris. Wo ist Iris? Und mein Sohn? dachte ich. Von oben, aus Iris’ altem Zimmer, hörte ich das Krähen eines Kindes, und ich mußte mich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Hund winselte und sprang auf und ab. Ich beugte mich hinunter und streichelte ihn mechanisch.
Ich war seit etwa einem halben Jahr nicht mehr in diesem Haus gewesen. Wir besuchten Iris’ Eltern und meine Mutter, sooft wir konnten, aber meine Arbeit ließ mir nicht viel Zeit, wie ich, glaube ich, deutlich gemacht habe. Jedenfalls schien alles ziemlich unverändert: dieselben Mäntel an der Garderobe, dieselben Schirme im Schirmständer und in der Ecke ein Paar Galoschen, das mir bekannt vorkam. Ich registrierte all diese Dinge mit einer Art verfeinerter Wahrnehmung – der

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