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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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Kantine zum Besten gaben, dann verzogen die Krankenschwestern ihre Gesichter und winkten ab, die Ärzte möchten ihnen doch keinen Bären aufbinden und solche grässlichen Geschichten erzählen, von denen doch keine wahr wäre, und dann mussten die Ärzte erst recht lachen.
        Immerhin sorgte die Elektroschocktherapie dafür, dass Dr. Erzbergh in den vielen Jahren seiner Bettlägerigkeit zumindest teilweise in Bewegung geblieben war, weshalb die Muskulatur an seinen Beinen nicht so stark verkümmert war wie am Rest seines Körpers, der insgesamt in einem recht erbärmlichen Zustand war.
        Das Spiegelbild machte Dr. Erzbergh das ganze Ausmaß der Verstümmelung mit brutaler Deutlichkeit klar. Niemals, das konnte unmöglich noch der Mann sein, für den er sich bisher gehalten hatte.
        »Nein … nein … nein!« Dr. Erzbergh raufte sich die Haare. Der Wahnsinn starrte aus seinen trüben Augen, als sich ganze Haarbüschel von seiner Kopfhaut lösten und in den Fingern kleben blieben.
        Schwester Franklin eilte auf ihn zu und versuchte ihn zu beruhigen. »Aber … Herr Doktor Erzbergh!«
        »Nein, gehen Sie weg von mir! Mein Name ist nicht Erzbergh«, schrie er wie von Sinnen, als er das Unfassbare zu begreifen versuchte. »Doktor Carl Erzbergh ist tot! Nennen Sie mich - Dr. Freak!«
        Dr. Erzbergh stieß die Krankenschwester zurück und rannte zum Fenster. Mit einem gewaltigen Satz sprang er durch die geschlossene Scheibe in die Tiefe. Das Glas zersprang in tausend Stücke, und Dr. Freak verschwand mit einem irren Kichern in der Dunkelheit.
     

6
     
    In der Grundschule war ein Künstlerwettbewerb ausgeschrieben worden. Ein solcher freier Wettbewerb stand zwar in starkem Kontrast zu den eher konservativen Idealen der Schulleitung, wurde aber als das geeignete Mittel angesehen, um den in letzter Zeit durch verschiedene Vorfälle in der Öffentlichkeit in Misskredit geratenen Ruf der Schule aufzupolieren und den Eltern den Eindruck einer liberalen Schulpolitik zu vermitteln. Alle Kinder, die ihre Ideen zum Thema »Mein schönstes Erlebnis in der Schule« verwirklichen wollten, konnten sich beteiligen. Nachdem sich eine Woche vor der Veranstaltung noch kein einziger Schüler zur Teilnahme gemeldet hatte, beschloss die Schulleitung kurzerhand, den Wettbewerb in den Lehrplan aufzunehmen und die Teilnahme für jedes Kind obligatorisch zu machen. Wer jetzt immer noch nicht spurte, der wurde einfach schlecht benotet, obwohl die Teilnahme, wie allseits versichert wurde, natürlich freiwillig war.
        Arthur war Künstler, und Arthur war trotz seiner 32 Jahre im Herzen ein Kind geblieben. Das war für ihn Grund genug, an der Veranstaltung teilzunehmen. Das Thema des Wettbewerbs interessierte Arthur allerdings nicht im Geringsten. Er lehnte es ab, sich das Motiv seiner Arbeit von irgendwelchen inkompetenten Laien diktieren zu lassen, die Kunst war schließlich frei. Nicht zuletzt deshalb wurde Arthur in entsprechenden künstlerischen Kreisen, sofern diese überhaupt von ihm Kenntnis nehmen wollten, als hoffnungsloser Spinner und Verrückter abgetan, der es nötig hatte, sein mangelndes Talent ständig durch irgendwelche spektakulären Aktionen wettzumachen. Sich selbst hingegen empfand Arthur als den einzigen wahren Künstler, weil er ästhetische Normen und artistische Konventionen als die Kreativität einengend und daher als den ursprünglichen künstlerischen Gedanken »verfälschend« ablehnte. Neider behaupteten, Arthur hätte einfach kein Talent und verfüge nicht einmal über die grundlegendsten Fähigkeiten, um sich in irgendeinem Medium angemessen auszudrücken. Aber da irrten sich seine Kritiker gewaltig, davon war Arthur überzeugt. Eines Tages würden auch sie sein Werk als richtungweisend schätzen lernen.
        Die Schönheit und Harmonie seiner Schöpfungen entwuchs nicht der gelungenen Interpretation des Sujets, sondern ergab sich aus Arthurs Einsicht über die Unbezwingbarkeit der Materie, die sich beharrlich der Unterwerfung unter den menschlichen Gestaltungswillen entzog und durch eben diese Verweigerung an Kraft und Bedeutung gewann. Wollte Arthur eine Blumenwiese malen, so mochte ein Bild entstehen, das einem Pizzabelag glich. Im Augenblick dieser Erkenntnis war es auch schon um die Blumenwiese geschehen. Eine Pizza war nun einmal eine Pizza. Es hatte für ihn keinen Sinn mehr, verzweifelte Korrekturen anzubringen, weil er seiner Schöpfung nichts mehr hinzufügen

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