Drachenblut
gewesen wären, die ihn heftig malträtierten. Aus der gekrümmten Position seines Körpers schloss er, dass er sich in irgendeinem Sack oder einem ähnlichen weichen Behältnis befand. Die schaukelnden Bewegungen deutete zudem darauf hin, dass er gerade von einem Menschen transportiert wurde. Das Beste war, sich erst einmal ruhig zu verhalten und den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten.
Hank nahm das Bündel von seinem Rücken und setzte es vor seiner Haustüre ab. Geschafft! Aber damit war das Problem noch nicht gelöst, der schwerste Teil der Aufgabe wartete noch auf ihn. Der Zeitpunkt würde kommen, an dem er den Hund aus seinem Gefängnis entlassen müsste. Über die Wachsamkeit und Schnelligkeit des Tieres konnte es nach den Ereignissen im Römerkeller keine Zweifel mehr geben, und gerade das war es, was Hank mit Sorge erfüllte. Während des langen Heimweges hatte er genügend Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was er mit dem Tier anstellen sollte, wenn es wieder zu sich käme. Bestimmt war Rex wenig dazu geneigt, sich nach seinen ersten Erfahrungen mit der Bürgerwehr manierlich aufzuführen, wer wollte es ihm auch verübeln. Aber Rex konnte nicht ewig im Tischtuch eingewickelt bleiben. Deshalb war es wohl ratsam, den Hund vorläufig ins Badezimmer einzusperren, bis er sich an die neue Umgebung gewöhnt und sein Zuhause akzeptiert hatte.
Mit Erleichterung nahm Hank zur Kenntnis, dass seine Gattin nicht zu Hause war. Sie hätte bestimmt unangenehme Fragen nach der Herkunft des Tieres gestellt. Besser war es, sie erst am nächsten Morgen behutsam mit dem neuen Hausgenossen vertraut zu machen.
Zum Glück rührte sich Rex immer noch nicht, auch nicht, als Hank beim Betreten des Hauses mit dem Sack versehentlich gegen den Türpfosten stieß. Der Hund schien robuster zu sein, als es den Anschein hatte. Schnell ging Hank zum Badezimmer und schüttelte das regungslose Tier aus dem Bündel heraus.
Rex war ein Meister in der Kunst des Täuschens. Von Regungslosigkeit oder gar Bewusstlosigkeit konnte plötzlich nicht mehr die Rede sein. Stattdessen rappelte er sich blitzgeschwind auf, fletschte seine Zähne und sprang auf Hank zu, um ihn in die Wade zu beißen. Hank reagierte aber ausgesprochen schnell. Er hechtete zur Seite und brachte sich mit einem waghalsigen Sprung in Sicherheit. Rex landete mit allen vieren auf dem Läufer und rutschte auf diesem auf den Gang hinaus. Ehe er seinen Schwung wieder abbremsen konnte, hatte Hank die Tür zugeworfen und sich im Badezimmer eingeschlossen. Rex knurrte und kläffte, kratzte und biss und bearbeitete die Tür mit seinen Pfoten, während sich Hank von innen gegen die Tür stemmte und sich erst gar nicht ausmalen wollte, was geschehen würde, wenn die Tür dem Ansturm nicht mehr gewachsen wäre. Im STAR hatte er erst neulich einen Artikel gelesen, der über einen ähnlichen Vorfall berichtete. Der Hundebesitzer war erst nach acht Tagen halb verhungert in der Besenkammer aufgefunden worden, weil sich seine Ehefrau zum wöchentlichen Hausputz rüstete. Ein Glück, beruhigte sich Hank, dass seine Gattin jeden Moment nach Hause kommen und ihn aus der Falle befreien würde. Damit bliebe ihm immerhin ein ähnliches Schicksal erspart.
Die Zeit im Badezimmer verging nicht gerade wie im Fluge. Hank hatte ausreichend Gelegenheit, aus Langeweile (war das in dieser Situation das richtige Wort?) seine Umgebung zu studieren. Der Wasserhahn tropfte, zwölf mal in einer Stunde, und unter dem Waschbecken hatten sich erhebliche Mengen von Staub und Schmutzresten abgelagert. Hank fragte sich, womit seine Frau eigentlich den ganzen Tag beschäftigt war.
Am frühen Morgen kehrte Hanks Gattin zurück. Verwundert entdeckte sie, dass da ein Hund vor dem Badezimmer saß. Das war ungewöhnlich, musste aber einen Grund haben, der sich feststellen lassen sollte. Mit ihren fleischigen Fäusten klopfte sie gegen die verschlossene Tür. Hank schreckte aus dem Halbschlaf und fürchtete, die Tür würde gleich aus den Angeln fallen. Wollte dieses Biest denn niemals aufgeben?
»Scher' dich endlich zum Teufel!« rief er hinaus.
Die Gattin hatte wenig Sinn für derartige Späße. Ihre Fäuste hämmerten noch nachdrücklicher gegen die Tür, und Hank glaubte, die Welt würde untergehen.
»Hank, bist du da drin?«
Nanu, ein Hund der reden konnte? Das war unmöglich. Als Hank seinen Irrtum erkannte, wurde ihm für einen Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher